Der Preis der Freiheit

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Ein Plädoyer für Eigenverantwortung in der Pandemie.

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Ein Plädoyer für Eigenverantwortung in der Pandemie.

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In den letzten Wochen wurde immer wieder der Umgang mit der Pandemie in China und Europa verglichen. In der chinesischen Öffentlichkeit wurde über Europa gespottet, wo das Streben nach individueller Freiheit dazu führe, dass monatelange massive staatliche Einschränkungen notwendig seien, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Dabei kann man annehmen, dass Europäer rigide Methoden der Pandemiebekämpfung ablehnen, wenngleich sie deren Ergebnis bewundern. ­Schockierend finde ich allerdings den immer wieder zu hörenden Satz „Freiheit hat eben ihren Preis“: Hier wird die in Relation hohe Zahl von Todesfällen in vielen Ländern Europas als Preis der Freiheit gerechnet!

In einem demokratischen Gemeinwesen bedarf sinnvolles Handeln erst in letzter Konsequenz staatlicher Zwangsverordnungen oder gar kreativer ­Incentivierung. Vollends schiefläuft es, wenn am Text von Gesetzen und Verordnungen so lange ­herumgemäkelt wird, bis eine klare Aussage durch zahlreiche Ausnahmen und „kreative“ Auslegung verdunkelt wird. Wenn eine klare Regelung als zu undifferenziert gebrandmarkt wird, und wenn bei Sonderregelungen bekrittelt wird, dass ein klares Konzept fehlt, wird Verantwortung abgegeben und der Bürger zum genussvollen Betrachter einer Normsetzung, die subjektiven Befindlichkeiten zwangsläufig hinterhertaumelt.

Sind wir hingegen bereit, Eigenverantwortung als Preis der Freiheit anzunehmen, ist ein Schutz Gefährdeter auch ohne immer detailliertere staatliche Regelung möglich. Wenn er jedoch nicht mit dem Willen einhergeht, Gemeinschaftsfähigkeit unter Beweis zu stellen, verkommt der Wunsch nach Freiheit zum Feigenblatt des Egoismus. Für mich ist Eigenverantwortung jedenfalls ein attraktiver Preis der Freiheit!

Der Autor ist Professor für Arbeits- und Sozialrecht und Leiter des Instituts für Familienforschung.

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