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Digital In Arbeit

Wahlfreiheit

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Im Einfrieren der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen verzichtet Politik auf Innovation beim Faktor Arbeit. Die Förderung gesellschaftlich sinnvoller Arbeit in ökologischen wie sozialen Feldern wird so unterlassen und als „unproduktiv" denunziert. Man spricht von Krise, wenn der AutoAbsatz stagniert, hingegen von Hochkonjunktur, wenn die Luft zum Atmen knapp wird. Die chemisch aufgepäppelte Riesentomate wird als Befriedigung eines Bedürfnisses - und damit als marktgerecht - betrachtet, die Herstellung eines Mittagessens zu Hause hingegen nicht.

In der Karenzgelddiskussion vereinen sich denn auch die erwerbszentrierte Vorstellung „wer nicht arbeitet, braucht auch nicht..." und die männliche Fixierung sozialer Sicherung. Der SPO scheint ideologisch die lückenlose Erwerbstätigkeit von Mutter wie Vater vorzuschweben: Mutter und Vater arbeiten von acht bis vier, Kinder ab in Betreuungsstätten, die es nicht gibt. Die ÖVP setzt auf den männlichen Ernährer-Haushalt mit mütterlichem Teilzeitengagement: Väter haben die obersten Jobs, Mütter arbeiten bei Bedarf als Supermarkt-Kassierin und schupfen den Haushalt.

Die einen setzen Alleinerziehende oder sozial benachteiligte Familien unter enormen Erwerbsdruck, der Lebenserhaltungs- und Kinderbetreuungskosten finanzieren muß; die anderen zwingen den Mann in den Arbeitsmarkt und die Frau an den Herd.

Die Ursache der beruflichen Wiedereinstiegsschwierigkeiten nach zwei Jahren sind nicht allein die Dauer der Kinderbetreuung, sondern auch die mangelnde Flexibilität der Arbeitgeber. Und erst die Unterordnung von sozialer Arbeit, die zu Hause geschieht, unter die Herrschaft von Erwerbsarbeit denunziert das Karenzgeld als ökonomisch nicht sinnvoll.

Um verschiedenen Lebensformen Wahlfreiheit zu erhalten, muß Politik den Geschlechtern Einstiegs- und Ausstiegsoptionen eröffnen, und zwar in beide Richtungen: in den Arbeitsmarkt und in den privaten Bereich. Diese Einstiege und Ausstiege müssen sozialpolitisch abgesichert sein: Nicht Status fixieren, sondern Passagen absichern.

Der Autor ist

Psychologe und Vorstandsmitglied von „SOS Mitmensch ".

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