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Kleist regiert

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Überall Kleist. Kleist - fast ein Festwochen-Regent des Sprechtheaters. Die Dresdner „Penthesilea”-Inszenie-rung von Wolfgang Engel im Wiener Messepalast. (Engel setzte im Burgtheater den „Ottokar” in Szene). Im Volkstheater auch Kleist: „Amphy-trion”, inszeniert von Klaus Michael Grüber für die Berliner Schaubühne.

Kleist-der Zerrissene, derden Blick in die Abgründe der menschlichen Seele wagte. Der Gefährdete, Problematische. Der vielfältig Deutbare. Kleist - wie geschaffen für ein Theater, das sich auf der Flucht vor der häßlichen äußeren Realität gern dem Individuum an die von Identitätskrisen gebeutelte Brust wirft.

Dem„Zerbrochnen Krug” im Burgtheater folgt demnächst die „Penthe-silea”, inszeniert von Ruth Berghaus. Entsprechend guter alter Tradition ermöglichten die Festwochen den Aufführungsvergleich. Aber die Begegnung mit Engels Dresdner „Penthesi-lea” ist eine etwas gespenstische. Die Inszenierung entstand vor fünf Jahren, als es für DDR-Regisseure im Dialog mit einem auf das Verstehen feinster regimekritischer Anspielungen trainierten Publikum noch leicht war, „politisch” zu sein. Christa Wolf liefert im Programmheft die Anweisung, das Stück als „Modell für die Verstrickung eines Menschen in unvereinbare Bedürfnisse und Pflichten, die ihn, mag er sie vernachlässigen oder strikt erfüllen, so oder so zugrunde richten müssen”, zu verstehen.

Doch der offene Druck einer alles reglementierenden Obrigkeit ist weg, damit, zumindest theoretisch, auch der Grund, sich in feinen Anspielungen auszudrücken. Damit ist der Aufführung ein Bein weggerutscht. Der Rest ist eine phänomenale Anhäufung von Regie-Klischees. Wenn Engel mit dem Text gar nichts anzufangen weiß, läßt er die Darsteller im Kreis rennen. Immerhin: Cornelia Schmaus ist sehenswert. Eine kühle, unverstaubte, „heutige” Penthesilea (der man zuletzt die rasende, den Geliebten zerreißende Amazone nicht abnimmt).

Grüber zeigt mit seinem „Amphy-trion”, wie man heute dunkle Seelenabgründe auslotet und ein „Lustspiel” mit heiligem Ernst realisiert. Wie Alkmene (Jutta Lampe), die von Jupiter in der Maske ihres braven Mannes Amphytrion Düpierte, unterm bleichen Möndlein doch immer die Brave bleibt - das ist eindrucksvoll, schön und hochgestochen. Dem herrlich komischen Udo Samel (Sosias) ist zu verdanken, daß es nicht auch langweilig wird.

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