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Land mit Sonderbeziehung

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Frankreich erzielte bei seinen Versuchen, seiner Afrikakolonie Dschibuti die Unabhängigkeit zu sichern, jetzt einen ersten sichtbaren Erfolg. Somalia verzichtete, wenigstens vorläufig, formell auf seine bisherigen Gebietsansprüche und erklärte sich auch mit künftigen „Sonderbeziehungen“ der Kolonie zum bisherigen Mutterland einverstanden.

Dschibuti hat kürzlich, als ersten Schritt zur Unabhängigkeit, eine neue Regierung erhalten. Diese hat sich nicht mehr, wie die in der Bevölkerung unbeliebte vorangegangene unter dem zwielichtigen Ali Arif, auf ein Verbleiben bei Frankreich festgelegt, lehnt aber auch Gebietsund Einflußansprüche der großen Nachbarn Somalia und Äthiopien ab. Sie wünscht die nationale Selbständigkeit für das kleine Gebiet, über dessen Status im Jänner 1977 in einem Referendum befunden werden soll. Am Resultat des Referendums dürfte kein Zweifel bestehen, so daß die Kolonie schon um die Mitte des

nächsten Jahres der jüngste unabhängige afrikanische Staat sein dürfte.

Das Land ist jedoch noch auf lange Sicht abhängig von französischen

Subsidien. Frankreich gewährte der neuen Regierung bereits einen Übergangskredit von 23,5 Millionen Franc für die Verbesserung der Infrastruktur. Dschibuti verspricht sich steigende Einnahmen vor allem aus dem weiteren Ausbau des Freihafens, dessen günstige Lage am Südausgang des Roten Meeres ihn für die Weltwirtschaft außerordentlich interessant macht, da der Hafen des nur fünfzig Flugminuten entfernten Aden wegen des dortigen marxistischen Regimes von den westlichen Steamern gemieden wird. Die im Land lebenden Franzosen sollen aufgefordert werden, auch nach der Unabhängigkeitserklärung zu bleiben. Sie sollen wählen können zwischen ihrer französischen und der Nationalität des neuen Staates. Die Regierung ist davon überzeugt, daß sie auf die Dienste der Franzosen bei der wirtschaftlichen Entwicklung noch lange Zeit nicht verzichten kann. Eine weitere Einnahmequelle

und eine Garantie für innere und äußere Stabilität ist die Anwesenheit einer französischen Garnison. Unter den beiden vorherrschenden Stämmen des Landes, den Afar und den Issa, bestehen traditionell große Spannungen, die bisher schon von den miteinander verfeindeten Nachbarländern Somalia und Äthiopien ausgenutzt wurden. Die Regierung braucht daher viel Fingerspitzengefühl, um innerpolitische Konflikte zu vermeiden. Unsicher bleibt auch, ob sich Somalia auf Dauer an die jetzt gegebenen Zusicherungen gebunden fühlt. Äthiopien, das auf den Transithafen Dschibuti, mit dem es durch eine direkte Eisenbahnlinie verbun-

den ist, angewiesen bleibt, kann einen gewaltsamen somalischen Zugriff jedoch nicht hinnehmen. Der linksgerichteten Regierung in Mogadischu bleiben allerdings genügend indirekte Einwirkungsmöglichkeiten, beispielsweise über die Gewerkschaften in Dschibuti. Die Sowjetunion, die sich in Somalia engagiert hat und dort, wie in der gegenüberliegenden Demokratischen Volksrepublik Süd Jemen militärische Stützpunktrechte besitzt, dürfte auch am Besitz des Hafens von Dschibuti interessiert sein, um die westlichen Seeverbindungen durch den Suezkanal kontrollieren und notfalls abschnüren zu können.

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