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Raketenlager, nicht Fischfabriken

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Somalia, das über eine hochkarätige strategische Schlüsselposition am Südausgang des Roten Meeres und an der afrikanischen Küste des Indischen Ozeans verfügt, dementiert nicht mehr die Existenz sowjetischer Militärbasen auf seinem Territorium. Diese Erkenntnis ist das Ergebnis der Reise eines US-Senators und eines militärischen Expertengremiums des Pentagons, einer Gruppe von amerikanischen Mitgliedern des Repräsentantenhauses und von im Nahen Osten stationierten westlichen Journalisten in das sozialistisch regierte und von einer Militärjunta beherrschte Land am „Horn von Afrika“. Zum erstenmal bestätigen sich damit offiziell die Recherchen des Geheimdienstes CIA und Satellitenaufnahmen amerikanischer Herkunft.

Der somalische Hafen Berbera liegt mir zweihundert Kilometer Luftlinie südlich der Hauptstadt der französischen Afrikakolonde Dschibuti. Die Sowjets haben sich hier lange vor der Wiedereröffnung des Suezkanals militärisch festgesetzt. Bislang hatte man in der somalischen Hauptstadt Mogadischu amerikanische Satellitenibüder der dort befindlichen roten Marine-, Luft- und Raketenbasen stets als „Fischfabriken“ bezeichnet. Jetzt hat sich herausgestellt, daß sich in Berbera zumindest Lager-, Versorgungs- und Reparaturanlagen für die im Indischen Ozean kreuzenden sowjetischen Flotteneinheiten befinden. Mit größter Wahrscheinlichkeit lagert man hier auch Offensivraketen. Experten bestehen sogar auf der Ansicht, daß es in unsichtbaren unterirdischen Bunkeranlagen auch Raketenabschußrampen gebe. Berücksichtigt man, daß es von hier aus nur fünfzig Flugininuten zu der Hauptstadt Aden der ..Demokratischen Volksrepublik Südjemen“ auf der asiatischen Ge-genküste des Indischen Ozeans sind wird die Gefährlichkeit dieser hier errichteten sowjetischen „Mausefalle“ für die westliche Globalstrategie und Handelsschiffahrt erst richtig deutlich. Die Aden, gehörige Inselgruppe Sokotra ist seit längerem eine waffenstarrende sowjetische Festung, und Aden selbst wurde aus einer einst britischen, längst zu einer sowjetischen Militärbasis, die ihren eigentlichen Wert erst nach der Wiedereröffnung des Suezkanals gewann.

In Mogadischu behauptet man, die Basis Berbera unterstehe vollständig somalischer Autorität. Das ist jedoch offenkundig nicht wahr. Eine Besichtigung ist unmöglich. Die Anlagen werden von sowjetischen Wachmannschaften vollständig von der Außenwelt abgeschirmt. Photogra-phieren ist nicht erlaubt.

Den Hintergrund der überraschenden somalischen Informationsbereitschaft bildet die gegenwärtige araberfreundliche Nahostpolitik der USA. In Mogadischu glaubt man sich ausrechnen zu können, daß die Zu-

Photo: Kern sammenärfoeit mit Moskau in Washington heute milder beurteilt wird als früher. Der Militärdiktator Siad Barre ließ denn auch gegenüber dem demokratischen US-Senator Bartlett, einem engagierten Ara-benfreund, durchblicken, daß sein Land bessere Beziehungen zu Washington wünsche. Auch Barre hat offenkundig an der neuen. Variante der arabischen Schaukelpolitik Gefallen gefunden, Militärhilfe von der Sowjetunion und harte Dollars von den Vereinigten Staaten zu nehmen. Washington gerät dadurch allerdings abermals in die Gefahr, das — in diesem Fall gegen Äthiopien und gegen die französischen Interessen, in Dschibuti gerichtete — Säbelgerassel indirekt zu finanzieren. Jeder Dollar, den es in die wirtschaftliche Entwicklung dieses afrikanischen Armenhauses zu stecken bereit ist, ermöglicht neue Waffenkäufe und finanziert damit den sowjetischen Waffenexport in die „Dritte Welt“.

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