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LUKIAN

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Auf dem Schreibtisch von Sadat läutete das Telephon.

„Bonjour“, sagte eine Stimme, „ich bin es, Ihr Freund Giscard. Störe ich?“

„Aber keineswegs“, sagte Sadat, „ich hoffe bloß, es handelt sich nicht um Herrn Abu Daoudl“

„Ich muß Sie leider enttäuschen“, sagte Giscard, „genau um den handelt es sich. Schauen Sie, Herr Sadat - da sich die arabische Welt für ihn so stark macht, bin ich bereit, den Mann auszu- liefem. Wir haben bereits eine Sondermaschine bereitgestellt, schon in wenigen Stunden können Sie ihn in Empfang nehmen. Ist das nicht viel bequemer, als wenn wir ihn so lange hier behalten, bis womöglich irgendwo ein französischer Botschafter entführt wird, Daoud im Austausch ein Flugzeug bekommen muß, und er dann am Ende doch bei Ihnen in Kairo landet?“

„Ich kann ihn wirklich nicht brauchen“, sagte Sadat, „was könnte man denn sonst noch mit ihm machen?“

„Genau das wollte ich Sie fragen“, sagte Giscard, „ich habe so gehofft, Sie könnten mir einen Rat geben!“

„Das ist in diesem Fall nicht leicht“, sagte Sadat, „wie wäre es mit Saudi-Arabien?“

„Dort habe ich schon angerufen“, sagte Giscard, „aber die wollen ihn schon gar nicht haben. Ich liebäugle mit dem Gedanken, ihn nach Libyen zu schicken. Ghadafi wird sich sicher freuen.“

„Das können Sie mir nicht antun“, sagte Sadat, „Libyen ist nicht weit genug von Ägypten entfernt, was tue ich, wenn ihn Ghadafi mit irgendeinem Auftrag zu mir herüberschickt? Können Sie ihn nicht der Sowjetunion andrehen?“

„Warum gerade der Sowjetunion?“ sagte Giscard, „er ist doch kein Russe.“

„Der Westen“, sagte Sadat, „nimmt doch auch alle, die von der Sowjetunion herübergeschickt werden. Rufen Sie einfach Breschnjew an und sagen Sie ihm, nachdem der Westen Solsche-

nizyn und Amalrik und Biermann akzeptiert hat, sei jetzt er dran. Wenn er sich spreizt, sagen Sie ganz einfach: Helsinki. Ich kenne ihn gut. Auf dieses Wort reagiert er überaus stark.“

„Ich werde es versuchen“, sagte Giscard, „danke für den guten Rat!“

„Gern geschehen“, sagte Sadat, „aber vergessen Sie nicht, Breschnjew klarzumachen, daß er diesen Abu Daoud keinesfalls wieder ausreisen lassen darf.“

„Fragt sich nur, wie ich, ihm das klarmachen kann“, sagte Giscard.

„Drohen Sie ihm einfach“, sagte Sadat, „der Westen werde keinen sowjetischen Dissidenten mehr reinlassen, wenn er Ihnen diese kleine Gefälligkeit verweigert.“

„Aber“, sagte Giscard, „wie soll ich die anderen europäischen Länder veranlassen, eine solche Drohung zu unterstützen?“

,fHchts einfacher als das“, sagte Sadat, „bevor Sie mit Breschnjew sprechen, telephonieren Sie ein bßchen in Europa herum und drohen allen unseren lieben Freunden, Sie würden Abu

Daoud sofort ihnen ausliefem, wenn sie Sie im Stich lassen.“

„Naja“, sagte Giscard, „ich sehe schon, er bleibt mir. Könnte man nicht wenigstens die arabischen Proteste gegen &ine Verhaftung zum Schweigen bringen? Gerade flattert mir ein neues Protesttelegramm auf den Tisch—aber was sehe ich, das ist ja von Ihnen!“

„Das müssen Sie verstehen“, sagte Sadat, „ich habe zwei Dutzend bei unserer Post bestellt, die werden nach und nach bei Ihnen eintröffen. Eine reine Routinesache. Lassen Sie sich davon nur nicht aus der Ruhe bringen. Bleiben Sie standhaft. Lassen Sie Daoud nur nicht frei!“

„Und wenn“, sagte Giscard, „die PLO diesen Mann durch eine Erpressung zu befreien versucht?“

„Wir glauben fast“, sagte Sadat, „die PLO wird sich hüten. Möglicherweise will sie ihn nämlich auch nicht. Aber vielleicht sollten Sie es doch noch einmal bei Breschnjew versuchen. Vielleicht könnte Schmidt bei ihm anrufen und mit einer Rückstellung Biermanns drohen. Das sollte eigentlich wirken ..

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