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Mediziner als Diplomat

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Neun Tage nach dem Tode Tschen Ji's hat China einen neuen Außenminister — Tschi Peng-fei. Der frühere Stellvertretende Außenminister gilt als „professioneller Außenpolitiker“, da er sich seit mehr als 20 Jahren auf dem oft lebensgefährlich glatten Parkett der Diplomatie geschickt bewegt, obwohl er gar nicht für diese Laufbahn ausgebildet ist. Tschi begann als Mediziner der Revolutionären Roten

Armee, nachdem er sich den Kommunisten im Jahre 1931, nach Absolvierung einer militärischen Medizinischen Hochschule, angeschlossen hatte. Später war er Mitglied des Kulturrevolutionären Militärrats und wurde 1935 dessen Direktor. Von 1939 bis 1950 war Tschi in verschiedenen Schlüsselpositionen der chinesischen Roten Armee tätig.

Als die Kommunisten das Land erobert hatten, wechselte Tschi Peng-fei zur Diplomatie hinüber. Im Ausland war er nur einmal, und zwar als Botschafter und Leiter der chinesischen Delegation in Ost-Berlin von 1950 bis 1953. Seither gilt Tschi als Deutschlandexperte, was man in Bonn nicht vergessen sollte.

Tschu En-lai berief Tschi 1935 als seinen engsten Mitarbeiter ins Außenamt, wo er 1955 zum Stellvertretenden Außenminister befördert wurde. Es ist anzunehmen, daß die Melodie und die dramatischen Akkorde der rotchinesischen Außenpolitik weiterhin von Tschu gespielt werden. Ihre Linienführung ist auf Jahre konzipiert, aber die initiativen Einfälle kamen bis heute von Tschu. So auch die Einladung der amerikanischen Ping-Pong-Spieler im April 1971. Tschu war generös genug, als Inspirator im Hintergrund zu bleiben und den Ruhm der neuen chinesisch-amerikanischen Politik elegant dem „großen Mao“ zu überlassen.

Anders Tschi Peng-fei, der bis jetzt nie Mitglied des Politbüros war, ebenso wie seine drei Stellvertreter. Alle Leiter der wichtigsten und höchsten Ressorts des Pekinger Außenministeriums sind nicht einmal Mitglieder des Zentralkomitees der CKP! Jedenfalls sollte man sich die Namen der jetzigen drei stellvertretenden Außenminister merken, da sie im Laufe der immer häufigeren Verhandlungen mit dem Westen oft erwähnt werden dürften. Sie heißen Tschiao Kuan-hua, Han Nien-lung und Li Jao-wen.

Man darf auch nicht vergessen, daß das Außenministerium in Peking nur ein Ausführungsorgan war und ist, das die von oben erhaltenen Beschlüsse in die Tat umzusetzen hat. Peking ist seit Jahren bemüht, die Auslandsbeziehungen zu erweitern und zu festigen, nicht nur in der afro-asiatischen Hemisphäre, sondern auch im Westen, vor allem in Europa. Mit dem Eintritt in die Vereinten Nationen und in deren Sub-organisationen erhielt Peking ein breites, interessantes Betätigungsfeld. Während der Kulturrevolution wurden die Reihen der chinesischen Diplomatie und des Außenministeriums stark gelichtet. An Stelle von 13 gibt, es heute nur 3 Ministerstellvertreter. Man mußte den Dienst straffen: früher bestanden separate Abteilungen für Westeuropa, Amerika und Australien. Heute gibt es nur ein „Department für europäische, amerikanische und australische Angelegenheiten“, das vermutlich auch die äußerst heiklen osteuropäischen Probleme zu bearbeiten hat. Die Formulierung der außenpolitischen Leitgedanken wird Tschu En-lais ureigenes Aktionsfeld bleiben.

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