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Mit tolerantem Geist überzeugen

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Die Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus (ACUS) hat Tradition. Schon in der Ersten Republik versuchte der Bund der religiösen Sozialisten Österreichs als offizielle Parteiorganisation die Gräben zwischen katholischer Kirche und sozialdemokratischer Arbeiterschaft zu überwinden. Es ging um weltanschaulichen Pluralismus in der Kirche und um politischen Pluralismus in der Partei.

Otto Bauer, der Führer des Bundes, lebt heute noch 85jährig in New York. Er gründete 1926 gemeinsam mit Gesinnungsfreunden den Bund, der bald mehrere hundert Mitarbeiter in ganz Osterreich zählte und eine Zeitschrift herausgab: „Der Menschheitskämpfer". Das Jahr 1934 mit all seinen Folgen verhinderte eine breitere Wirksamkeit der religiösen Sozialisten Österreichs.

1951 wurde am Wiener Institut für Wissenschaft und Kunst eine .Arbeitsgemeinschaft für Kirche und Sozialismus" gegründet, die 1959 als offizielle Parteiorganisation anerkannt wurde und ab dann .Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Katholiken" hieß. 1967 öffnete sich die Gruppe anderen christlichen Konfessionen und änderte dementsprechend den Namen auf die heutige Bezeichnung.

Insgesamt kann man die Tätigkeit der religiösen beziehungsweise christlichen Sozialisten Österreichs in vier Phasen gliedern: In der ersten, 1926 bis 1934, versuchte man das vielen als hoffnungslos erscheinende Unterfangen, die starren Gräben zwischen Christen und Sozialisten zu überwinden.

Die zweite Phase begann mit dem Jahr 1945, dauerte bis Anfang der sechziger Jahre und war durch die Diskussion um die Vereinbarkeit von Christentum und Sozialismus in Kirchen und Partei gekennzeichnet.

Das Zweite Vatikanische Konzil und Dokumente anderer christlichen Konfessionen schrieben dann aber den legitimen politischen Pluralismus unter Österreichs Christen fest Die SPÖ öffnete sich schon in ihrem Parteiprogramm 1958, noch stärker aber mit dem aus dem Jahr 1978 gegenüber den Christen. Die dritte Phase brachte also eine Uberwindung der Fragestellung, ob ein Christ Sozialist sein könne.

In einer vierten Phase muß es nun darum gehen, die erkannten Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Sozialismus in Kirchen und Parteien umzusetzen und an Hand von aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen deutlich zu machen. Gegenüber der defensiven Funktion der ACUS gewinnt die offensive an Bedeutung.

In dieser Phase soll nun jenen jungen ACUS-Mitarbeitern, die wesentlich zum Aufschwung der Arbeitsgemeinschaft beigetragen haben, die Chance gegeben werden, selbst die ACUS zu leiten. Ich habe daher die Funktion des ACUS-Vorsitzenden an einen jungen Mitarbeiter (Gerhard Steger, Sekretär des Finanzministers, d. Red.) abgetreten, gehöre selbst aber weiterhin dem ACUS-Bundesvorstand an.

Für diesen Schritt gibt es auch noch zwei weitere Gründe: Zum einen habe ich seit meiner Tätigkeit als Finanzminister immer weniger Zeit für die ACUS aufbringen können, mir widerstrebt es aber, eine Funktion auszuüben, für die ich keine Zeit aufzuwenden vermag. Außerdem meine ich, daß, gerade ein Jahr vor der Nationalratswahl, die Tatsache, daß ein hoher Parteifunktionär die Funktion den ACUS-Vorsitz innehat, als Stimmenfang für die SPÖ ausgelegt werden könnte.

Zu den Aufgaben der ACUS noch ein paar Sätze: Wir sind weder das offizielle Bindeglied der SPÖ zu den christlichen Kirchen noch eine christliche Fraktion in der SPÖ oder eine sozialistische Fraktion in den Kirchen. Wir verstehen uns als Forum zur Diskussion zwischen christlichen Sozialisten, Christen, die nicht der SPO angehören und Sozialisten, die ohne kirchliche Bindung sind. ACUS-Mitarbeiter können daher auch partei- oder konfessionslos sein, wenngleich die große Mehrheit der Mitarbeiter und jedenfalls alle Vorstandsmitglieder einer christlichen Kirche und der SPÖ angehören.

In der ACUS spielen Fragen der politischen Grundsätze, der Moral und der Ethik eine wesentliche Rolle, wir denken in der Arbeitsgemeinschaft besonders viel über solche Probleme nach. Aber auch in den Kirchen sind wir auf Grundsätze bedacht So denke ich, um meine katholische Kirche anzusprechen, daß ein Ausbau der kollegialen, konziliaren und synodalen Elemente notwendig ist Hier hat das Zweite Vatikanische Konzil den Weg gewiesen.

Der ACUS geht es nicht um Macht und Einfluß, sie will überzeugen. Dieses Ziel strebt sie durch Bildungsarbeit im christlichen und sozialistischen Bereich an. Wie schon angedeutet wird dabei die Frage immer wichtiger, was Christentum und Sozialismus in aktuellen gesellschaftspolitischen Problemen gemeinsam haben sollten: etwa in der Bekämpfung der Not der Dritten Welt in der Sicherung des Friedens und einer humanen Umwelt

Wenn wir glaubwürdig sind, werden wir überzeugen. Dies hat sich bei den Arbeiten am neuen Parteiprogramm gezeigt, wo zwei Abschnitte, „Sozialismus und Religion" und „Die offene Partei" die Handschrift der ACUS tragen. Aber auch in anderen Kapiteln wurden Vorschläge der ACUS berücksichtigt

Die Stützung der kleinen sozialen Einheiten, katholisch ausgedrückt: das Subsidiaritätsprin-zip, wurde auf Anregung der ACUS in das Parteiprogramm aufgenommen. Die ACUS hat wesentlich dazu beigetragen, die politischen Lagergrenzen in Österreich überwinden zu helfen und damit auch ihren Teil zur geistigen Toleranz in Osterreich geleistet

Der Autor war von Februar 1977 bii zum 25. April 1982 ACUS-Vorsitzender; dem Beitrag liegt das Referat des Finanzministers vor der ACUS-Bundeskonferenz am 24. April zugrunde.

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