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Mozart - phantastisch

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Zwar kann die neue Grazer „Entführung aus dem Serail“ die Sereni-tät und den Einklang mit Mozarts Musik nicht erreichen, die Strehlers unvergeßliche Salzburger Arbeit auszeichnete — indes, sie ist mindestens ebenso originell.

Axel Corti als Regisseur hat im Verein mit dem Maler Wolfgang Hutter und dessen Gattin Birgit das Geschehen der drei Akte auf einen Nenner gebracht, der weniger aus der Partitur, sehr leicht jedoch aus dem Libretto abzuleiten ist: nämlich die Sinnlichkeit. Die Geschichte von Konstanze und Belmonte, von Blondchen und Pedrillo wurde aus dem üblichen erotischen Niemandsland versetzt an einen Meeresstrand, der überquillt von Hutters phantastischer Vegetation: Feigenbäume voller Üppigkeit, Riesemartlschocken zuhauf, Meeresmonster und Wellen-gekräusel, das bis zum Himmel reicht und auf dem — bis in den Schnürboden hinauf — Janitscha-ren geritten gekommen auf nereidenhaften Keetaurinnen. In diese pralle, bunte Märchenwelt senkt sich eine Montgolfiere langsam herab: ein wahrhaft pasoha-haftes Transportmittel für Selim und die ihm schon ein ganz klein wenig zugeneigte Konstanze. Ein rabenschwarzes Zwitterwesen, halb Caliban, halb Monostatos, dem alles Eunuchoide geflissentlich genommen wurde — Osmin — bedroht durchaus gefährlich die liebenden Paare. Wolfgang Hutter, dem Maler, liegt naturgemäß mehr an den Farben als an der Architektur. Birgit Hutter, die Gattin, hat sich mit schwarzweißen Kostümen der bunten Pracht unterzuordnen. Axel Corti überrascht mit mancherlei Gags: sie sind frisch und alles andere als abgestanden; die Figuren haben ein manchmal neues Profil (Pedrillo ironisiert sich selbst, Blondchen kann einmal wirklich springen vor Freude) und agieren in sinnvollen Positionen.

So sehenswert die szenische Realisierung ist, so hörenswert bietet sich das von Theodor Guschlbauer betreute musikalische Geschehen dar. Der Lyoner Opernchef zeigt hier, wie man aus einem nicht immer lustvoll gestimmten Orchester ein geradezu solistisch musizierendes Mozart-Ensemble macht: da fehlt es nicht an Transparenz und delikaten. Nuancen. Unter den Sängern übertrifft Edita Gruberova von der Wiener Staatsoper die übrigen um einiges: sie wartet mit blendenden, makellosen Koloraturen auf, ohne das sentimentale Timbre des Kon-. stanzen-Parts zu vernachlässigen. Helmut Berger-Tuna ist der wilde Orang-Utan Osmin, Erich Seitter ein ganz ausgezeichneter, leichtfüßiger Pedrillo.

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