Verzweifelt die Wände hoch

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Die traditionelle Festwochen-Produktion der Wiener Volksoper gilt, szenisch behutsam, musikalisch durchwachsen, Mozarts „Entführung aus dem Serail“.

Knapp mehr als drei Stunden dauert die neue Volksopern-„Entführung“, zwei Pausen inbegriffen. Damit man am Ende des zweiten Aktes einen Regieeinfall von Helen Malkowsky besonders eindringlich mitbekommt? Sie lässt in die Freude über die scheinbar gelungenen Flucht-Vorbereitungen plötzlich Bassa Selim auftreten, mit dem Rücken zu Belmonte, Konstanze, Pedrillo und Blonde vor Wut und Verzweiflung die Wände hochklettern und dabei die Fenster seines Palastes einschlagen …

Entsprechend zertrümmert präsentiert sich im dritten Akt das Bühnenbild, nichts anderes als ein stilisierter Innenblick in Bassas Selims Palast (Ausstattung: Bernd Franke). Dort freilich geht es durchaus modern zu. Denn die Bediensteten können mit Fernbedienung Blumen hinauf- und hinunterexpedieren. Und auch Pedrillo nutzt diese Möglichkeit, um so den Wein für Osmin herbeizuschaffen. Die Choristen (Einstudierung: Michael Tomaschek) erinnern weniger an Türken, denn an Afghanen. Ein Hinweis der Regie, dass es auch dort längst angebracht wäre, dem humanen Vorbild Bassa Selims zu folgen? Das bleibt offen. Diese durchaus schlüssige Deutung wird nicht weiter verfolgt.

Epische Tempi, plakative Effekte

So liegt der Fokus dieser Inszenierung auf der Musik. Sascha Goetzel am Pult, für seine Deutung der Mozart’schen Da-Ponte-Opern in Innsbruck international hochgelobt, vermag diese Vorschusslorbeeren nicht einzulösen. Mit nicht selten epischen Tempi, dann wieder unerwartet aufgerauten, betont plakativ gesetzten Effekten durchmisst er Mozarts meisterhafte Partitur, versucht Spielerisches in unterschiedlich passende Dramatik umzudeuten. Die Spannung fördert es jedenfalls nicht. Um das orientalische Kolorit der Musik zu unterstützen, hätte es ebenfalls dieser Hinweise nicht bedurft.

Unterschiedlich erwies sich die Sängerbesetzung. Am eindrucksvollsten Daniel Behle als kultivierter Belmonte. Kristiane Kaiser blieb als Konstanze einiges an Koloraturensicherheit, selbstverständlicher Brillanz und Artikulationsklarheit schuldig. Andrea Bogner ist eine solide Blonde, Karl-Michael Ebner ein ebensolcher Pedrillo. Vom Gregory Franks Osmin wünschte man sich mehr Tiefenschärfe und weniger Tremolo. Gestisch souverän, sprachlich ausgefeilt und eindrucksvoll August Zirners Bassa Selim.

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