7092790-1994_36_08.jpg
Digital In Arbeit

Im Ländle fallen Tabus

Werbung
Werbung
Werbung

Johanna Dohnal kann das (Kultur-)Kämpfen nicht lassen: Offensichtlich gebe es bei kirchlichen Kritikern Bedarf, über Abtreibung zu reden. „Wenn man es will, muß man das sagen“, ließ die Frauenministerin vergangene Woche anläßlich der Debatte über die UNO-Weltbevölkerungskonfe- renz spitzzüngig vermelden.

Johanna Dohnal irrt. Nicht die „kirchlichen Kritiker“ waren es, die in Österreich die dahinschlummernde Abtreibungsdebatte wiederbelebten, sondern ihre eigenen Parteigenossen. Konkret die Vorarlberger Landes-SPÖ, die im Zuge des Landtagswahlkampfes auf großflächigen Plakaten vehement Schwangerschaftsabbrüche in den öffentlichen Spitälern Vorarlbergs propagierte (siehe Seite 3). Damit hat die krisengeschüttelte Ländle-SPÖ ein Tabu gebrochen - und erstmals seit der Strafrechtsdebatte des Jahres 1974 die Abtreibungsproblematik zum Wahlkampfthema gemacht. Stimmengewinne auf Kosten abgetriebener Kinder? — Ein grausiger Gedanke.

Gewollt oder ungewollt, jedenfalls sicher nicht ohne Wohlwollen gesehen, haben die Ländle-Sozialdemokraten damit einen weiteren „Tabubruch“ provoziert — die Landtags-Kandidatur des streitbaren Montafoner Pfarrers Eberhard Amann für die „Christliche Wählergemeinschaft“. Denn erst die durchaus nicht chancenlose Kandidatur dieser konservativen Splittergruppe könnte dem ÖVP-Spitzenkandida- ten, Landeshauptmann Martin Purtscher, jene Stimmen kosten, die seine Partei zur Verteidigung der absoluten Mehrheit braucht. Ein Pfarrer als Wahlhelfer zur Durchsetzung der Wahlziele von SPÖ und FPO?

Sollte die absolute Landtagsmehrheit der ÖVP am 18. September fallen, so wäre dies natürlich auch nicht ohne Folgen für die Bundespolitik. Es ist kaum vorstellbar, daß - noch vor der Nationalratswahl am 9. Oktober - eine andere Partei Purtscher gemeinsam mit der ÖVP zum Landeshauptmann macht. Und ein Verlust des Landeshauptmannes im konservativen Ländle wäre auch für die Bundes-ÖVP ein gewaltiger Tiefschlag, den die ohnehin nicht vor Selbstbewußstein strotzende Partei vor dem 9. Oktober wohl kaum verdauen könnte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung