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Sie hatten eine Demonstration angekündigt, von der das Wohl und Wehe Österreichs abzuhängen schien: Wiens linke studentische Marschierer, die, auf ein kleines Häufchen reduziert, die Innenstadt am letzten Tag des Wonnemonats Mai bevölkerten. Im Totalvollzug der Nachäffung ausländischer Beispiele hofften sie auf Folgerungen ihrer Aktion, die an der Donau allerdings nicht gediehen. Denn was vielleicht für Berlin oder Paris gilt, hat mit Wiens Problemen nur am Rand gemein. Die Herren Studenten, die Herren Mittelschüler und die miniberocktcn. 16jährigen Teenager, beschränkten sich nicht auf die Forderung der Hochschul- oder Mittelschulreform, die sie den verantwortungsbewußten Hochschülerschaftsvertretern überließen: sie wandten sich gegen die „autoritären Strukturen“ unserer Gesellschaft, als deren Ausdruck sie nur Hoch- und Mittelschule gelten lassen wollten.

So tat die österreichische Hochschülerschaft gut daran, nicht an dem Zirkus mitzuwirken.

Daß die lächerlichen Häufchen mit ihren „Ho-Tschi-minh“-Parolen, denen sie auch Anti-Piffl-Rufe anschlossen, lächerlich bleiben, ist aber vor allem einer vorbildlich ein gesetzten Polizei zu danken. Denn die Uniformierten zeigten sich kaum entlang der Demonstrationsroute, die Staatspolizisten in Zivil fielen nicht auf, weil ja genug Adabeis aller Jahrgänge auf studentische Sensationen warteten.

In Berlin und Rom nämlich hatte es in diesem Stadium damit begonnen, daß geprügelt wurde: Und erst zu diesem Zeitpunkt solidarisierte sich die Mehrheit der Studenten mit dem winzigen Häufchen der Linken. Können also kleine Aktivistengruppen die Demokratie in Österreich doch nicht in Gefahr bringen?

Der Schein der vorwöchigen Mini- Revolution mag täuschen. Die Demokratie, grundsätzlich auf Fairplay und Diskussion aufgebaut, ist angesichts ausländischer und historischer Beispiele latent hilflos, wenn der Terror kleiner Gruppen an den richtigen Hebelarmen zieht. Auch in Österreich hat die Vorsorge nur einen kurzen Atem.

Immerhin: es ist nichts passiert. Nur die Massenmedien, voran der Zeitungsboulevard und das Fernsehen, haben von den Ereignissen des 31. Mai berichtet, als handle es sich um die Weltgeschichte.

In den Massenmedien liegt eine große Gefahr: Nur dem eigenen Gewissen verpflichtete unabhängige Redakteure können Ereignisse hochschaukeln und Elefanten aufblasen, die nur sehr schwer wieder zu kleinen Mäusen schrumpfen.

Auch für diese Lehre sind wir den Schreiern von der traurigen Gestalt dankbar.

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