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Digital In Arbeit

Nagelprobe für Dallinger

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Für Sozialminister Daliinger kommt die Stunde der Wahrheit: Er kann sofort die Arbeit am 8. Dezember verhindern, auch wenn Handelsminister Steger Geschäfte öffnen läßt.

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Für Sozialminister Daliinger kommt die Stunde der Wahrheit: Er kann sofort die Arbeit am 8. Dezember verhindern, auch wenn Handelsminister Steger Geschäfte öffnen läßt.

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Weil der 8. Dezember auf einen Samstag fällt, hat der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer eine Ladenschlußverordnung erlassen, die den fünften Samstag vor Weihnachten, also den 24. November, zum langen Einkaufssamstag erklärt. Nur war das 1979.

1984 läßt derselbige zu Maria Empfängnis die Geschäfte offenhalten: Die diesbezügliche Verordnung wurde am 9. November kundgemacht.

Das entspricht der offiziellen Version, daß letztlich die Landeshauptleute autonom zu entscheiden haben. Der Schönheitsfehler dieser Lesart: Das ist nur die halbe Wahrheit.

Wahr ist vielmehr, daß die Landeshauptleute in dieser Frage nur als Organe der mittelbaren Bundesverwaltung tätig werden können. Das heißt: Gegen den ausdrücklichen Willen eines zuständigen Bundesministers kann kein Landeshauptmann eine Verordnung erlassen, weil diesem ein Weisungsrecht zusteht.

Im konkreten Fall werden von einer Verordnung zwei Bundesgesetze berührt: das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, dessen Vollziehung bei Handelsminister Norbert Steger liegt, und das Arbeitsruhegesetz, für das Sozialminister Alfred Daliinger zuständig ist.

Der Paragraph 3 des Betriebszeitengesetzes ermöglicht es den Landeshauptleuten, für den Fall, daß „ein besonderer regionaler Bedarf besteht", auch für Feiertage gewerbliche Betriebszeiten festzulegen, wobei der Gesetzgeber berücksichtigt wissen wollte, „ob sich der besondere regionale Bedarf auf das ganze Land Oder nur auf ein Teilgebiet erstreckt". Womit jedenfalls klargestellt ist, daß regional keineswegs von vornherein mit landesweit gleichgesetzt werden darf.

Eine Ausnahmeverordnung dazu erlaubt aber nur Geschäftsinhabern, aufzusperren und — höchstpersönlich — zu bedienen. Dafür ist Steger, dafür ist er auch zuständig.

Doch für das Personal gilt das neue und erst mit 1. Juli in Kraft getretene Arbeitsruhegesetz, das unter anderem auch das alte Feiertagsruhegesetz 1957 abgelöst hat.

Zwar räumt der Paragraph 13 dieses Gesetzes dem Landeshauptmann die Möglichkeit ein, durch Verordnung Ausnahmen von der Feiertagsruhe zuzulassen, „wenn ein außergewöhnlicher regionaler Bedarf für Versorgungsleistungen gegeben ist", aber eben nur im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung.

Dallinger, zugleich auch Chef der Privatangestelltengewerkschaft, stellt die Voraussetzung für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung nach dem Arbeitsruhegesetz in Abrede. Seine Gewerkschaft droht mit Streikmaßnahmen. Absurd.

Absurd, weil Alfred Dallinger es selbst in der Hand hat, Arbeit zu Maria Empfängnis zu verhindern.

Dem oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Ratzenböck hat er die Weisung erteilt, von einer Ausnahmeregelung Abstand zu nehmen.

Dallinger könnte noch mehr: Er hat es in der Hand, durch Weisung zu erwirken, daß die Haslauer-

Verordnung — soweit sie das Arbeitsruhegesetz betrifft — wieder aufgehoben werden muß.

Das kann Dallinger. Ob er aber jetzt zuschauen und nachträglich den Verfassungsgerichtshof — wie angekündigt — bemühen kann, ziehen Verfassungsjuristen in Zweifel.

Daß nämlich die Bundesregierung einen Anfechtungsantrag stellt, ist - da Einstimmigkeit erforderlich - bei diesem Koalitionskabinett unwahrscheinlich. Und fraglich ist, ob das Antragsrecht der Regierung, da es sich eben um eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung handelt, überhaupt anwendbar wäre. Denn wozu Anfechtung,' wenn durch Weisung alles möglich ist?

Um sonst den Fall vor die Verfassungsrichter zu bringen, müßten viele mitspielen, etwa ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer wegen Arbeitsverweigerung am 8. Dezember entläßt, etwa ein Arbeitsgericht oder ein Einigungsamt.

Wird Dallinger gegenüber Haslauer von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen? „Das ist eine Möglichkeit, das werd' ich mir überlegen", ließ er im Gespräch mit der FURCHE am Wochenende noch offen.

Offenbar rechnet er aber auch mit der Möglichkeit, daß Haslauer selbst noch zum Rückzug bläst, wenn er im Reigen der Bundesländer zum Alleingänger werden sollte. Dann würde billig, was der Salzburger Landeshauptmann 1979 als recht erachtet hat...

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