7089425-1994_24_15.jpg
Digital In Arbeit

Sternstunden einst und jetzt — am12. Juni 1994

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn die euphorische Wirtschaft einen 13. Stern auf die apostolische blaue Fahne setzt, wenn Rundespräsident und gesamte Regierung mit Champagner anstoßen, wenn unzählige Menschen' durch die Stadt tanzen, wenn der ORF am Ende seiner Reportage den nächtlich erleuchteten Heldenplatz (einen der schönsten Plätze Europas) abfährt, so darf man wohl mit Fug und Recht von einer Sternstunde für Osterreich sprechen.

Die Geschichte, „die größte Dichterin und Darstellerin aller Zeiten” - so Stefan Zweig, österreichischer Experte für Stemstunden - hat es wieder einmal geschafft, die Menschen aus ihren alltäglichen Sorgen und Ängsten herauszuholen und sie für eine große Idee zu begeistern, für „Europa”.

Wie sich Österreichs Grundsatzentscheidung unter anderen Sternstunden ausnimmt? Stefan Zweig nennt die tragische Rolle Amundsens bei der Erreichung des Südpols und die Entdeckung Eldorados durch die Goldgräber.

Uns näherstehend führt Zweig die Eroberung von Ryzanz durch die Türken als Gleichnis für das Schicksal eines Kontinents an: „Schaudernd erkennt Europa, daß dank seiner dumpfen Gleichgültigkeit durch die verhängnisvolle, vergessene Tür, die Kerkaporta, eine schicksalhaft zerstörende Gewalt hereingebrochen ist, die jahrhundertelang seine Kräfte binden und lähmen wird. Aber in der Geschichte wie im menschlichen Leben bringt Redauern einen verlorenen Augenblick nicht mehr wieder, und 1.000 Jahre kaufen nicht zurück, was eine einzige Stunde versäumt.”

Es ist müßig, Zweig vorzuwerfen, seine „Sternstunden” seien entpolitisierte Geschichte voller Intuition und Irrationalität. Auch die Stemstunden des 12. Juni

1994 sind voller Lust am Ideal und konkretisieren pragmatisch-präsentische Apokalyptik. Aber wahre Re-geisterung ist nun einmal musischekstatisch, voller realisierbarer Bilder und Visionen.

Eine klare Mehrheit der Menschen unseres Landes erlebt sich als weltoffen, opferbereit, stolz auf das Erreichte und optimistisch in Hinblick auf fällige Umgestaltung der EU, leistungsfähig und belastbar. Bleibt nur zu hoffen, daß sich unsere Landsleute richtig eingeschätzt haben, denn: einen persönlichen Irrtum verzeihen sie erfahrungsgemäß ihren Politikern nicht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung