6794093-1971_02_06.jpg
Digital In Arbeit

Ohne Hirngespinste

19451960198020002020

Mit 40 Prozent war die BRD zwischen 1964 und 1969 Prags größter nichtkommunistischer Handelspartner unter den OECD- Ländern, was anderseits 4 Prozent des gesamten tschechoslowakischen Handelsverkehrs entsprach. Seit der Liberalisierung im August 1967 war die Steigerung in einem einzigen Jahr 50 Prozent.

19451960198020002020

Mit 40 Prozent war die BRD zwischen 1964 und 1969 Prags größter nichtkommunistischer Handelspartner unter den OECD- Ländern, was anderseits 4 Prozent des gesamten tschechoslowakischen Handelsverkehrs entsprach. Seit der Liberalisierung im August 1967 war die Steigerung in einem einzigen Jahr 50 Prozent.

Werbung
Werbung
Werbung

Nach Konsolidierung der sowjetischwestdeutschen Beziehungen, die unter anderem fortschrittliche westdeutsche Technologie für Moskau verspricht, wünscht auch Prag logischerweise die baldige Normalisierung der Beziehungen. Bereits vor einem Jahr hat Husak in einer Rede darauf hingewiesen, daß Prag gern ein langfristiges Handels- bzw. Wirtschafts- und wissenschaftlich-technisches Kooperationsabkommen mit Bonn abschließen würde.

Der Wunsch Prags wurde am 12. Juni 1970 als ein Fünfjahrwirtschaftsabkommen. sowie ein Handelsprotokoll für das laufende Jahr und ein wissenschaftlich-technologisches Kooperationsabkommen konkretisiert. Warum Prag über diese Abkommen im Inland Stillschweigen bewahrte, weiß man nicht.

Von größter Wichtigkeit ist für Prag, ob die ČSSR westdeutsche Kredite erhalten kann. In dieser Angelegenheit ist jedoch Moskau allergisch. In der Dubcek-Ära sprach das „Aktions programm” von Beschaffung notwendiger Hartwährungskredite. Nachdem die UdSSR die tschechoslowakischen Anspielungen nicht verstehen wollte, sondierte Prag unter den kapitalistischen Partnern. Offiziöse Schritte wurden von der tschechoslowakischen Regierung nicht unternommen — sagte damals Außenhandelsminister Vaclav Vales. Der tschechoslowakische Standpunkt war einfach: solange keine schweren politischen Bedingungen an erwünschte langfristige Auslandskredite gebunden werden, würde Prag gern finanziell mit der Bundesrepublik oder mit anderen westlichen Ländern ein Kreditabkommen akzeptieren. Es wurde sogar tschechischerseits betont, daß die Erhöhung des Westhandelis die „sozialistische Arbeitsteilung” gar nicht hindern würde. Im Gegenteil: der Handel mit der Bundesrepublik würde sich positiv auswirken und zur Modernisierung der tschechoslowakischen Wirtschaft führen.

Feststeht jedenfalls, daß Prag heute die Hilfe durch westdeutschen’wirtschaftlichen Beistand und die Zusammenarbeit sehr gern gebrauchen würde. Ohne westdeutsche Kredite ist die rasche Modernisierung der tschechoslowakischen Industrie kaum vorstellbar. Und ein namhafter Prager Radiokommentator wies bereits anläßlich der Unterzeichnung des sowjetisch-westdeutschen Abkommens darauf hin, daß es höchste Zeit sei, daß auch „unsere tschechoslowakischen Produzenten und Exporteure einen Wink gehen”.

Prags Bereitschaft zur Stärkung und Erweiterung der Wirtschaftsbezie-

hungen mit Bonn ist allerdings durch selbstgebastelte Barrieren, wie etwa die „Anerkennung der fundamentalen ideologischen und politischen Unterschiede”, die „Unantastbarkeit der tschechoslowakischen Verpflichtungen gegenüber den bloekifiternen Partnern” begrenzt. Und warnende Rufe kamen auch aus Moskau, so vom überempfindlichen A. Wetrow in der Nr. 9 der Zeitschrift „International Affaires”, der schrieb: „Es gibt Grenzen der Arbeitsteilung zwischen zwei sozialpolitischen Systemen, die,

wenn sie überschritten werden, den Sieg des Sozialismus im wirtschaftlichen Wettbewerb mit dem Kapitalismus gefährden und die friedliche Koexistenz verhindern.”

Dennoch ist zu erwarten, daß politische Schwierigkeiten die wirtschaftliche Kooperation zwischen der Bundesrepublik und der ČSSR nicht behindern können. Man ist in Prag bereit, durch Abbau doktrinärer Hirngespinste zur Klärung der Atmosphäre beizutragen und die westdeutsche Annäherung zu erleichtern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung