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Polit- Ping-Pong am Balkan

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Spannungen zwischen Moskau, Bukarest und Belgrad bildeten das Vorspiel zum ersten Besuch eines chinesischen Parteichefs am Balkan. Ceaucescu und Tito waren gezwungen, die diplomatischen Schachzüge des Kremls zu parieren. Der jugoslawische Staats- und Parteichef Tito mit der Zurückstellung einer an ihn ergangenen Einladung zu einem Treffen mit Leonid Breschnew auf den Herbst, der rumänische Staaatsratsvorsitzende Nicolae Ceaucescu mit einer Kurzvisite am Urlaubsort des sowjetischen Parteichefs auf der Krim.

Mit aller Höflichkeit haben die beiden kommunistischen Außenseiter am Balkan den Sowjets zu verstehen gegeben, daß die Außenpolitik für Jugoslawien und Rumänien ausschließlich in Belgrad beziehungsweise in Bukarest festgelegt werde. Breschnew konnte nicht umhin, Ceaucescu nach nur siebenstündigem Aufenthalt auf der Krim die „Rechte der Völker auf Freiheit, Unabhängigkeit und Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten” im offiziellen Kommunique zu bestätigen. An und für sich selbstverständliche Normen im Zusammenleben der Völker und souveräner Staaten, die sich die kommunistischen Staatschefs vom Kreml aber immer wieder bestätigen lassen müssen.

Die eigenen kommunistischen Wege wurden zuletzt auf der Konferenz der europäischen kommunistischen Parteien in Ostberlin feierlich bekräftigt, aber die Revisionsversuche Moskaus mit seiner Formel vom „proletarischen Internationalismus” haben sie weitgehend wieder entwertet. Für Tito und Ceaucescu ist die Visite des chinesischen Parteichefs Hua Kuo-feng die beste Gelegenheit, ihren eigenen Kurs vor aller Welt zu demonstrieren. Das wird sogar im Kon)- munique zum Treffen Bre- schnew-Ceaucescu ‘deutlich, wo die üblichen Floskeln fehlen, ja selbst die sonst selbstverständlichen Erwähnungen der Bündnisverpflichtungen im Warschauer Pakt.

All dessen versicherten sich traditionsgemäß gegenseitig Breschnew und seine auf der Krim Urlaub machenden Parteiführer Husak, Ho- necker, Gierek und Kadar. Die Auslassungen im Schlußkommunique sind somit das Interessanteste am Treffen Leonid Breschnews mit Nicolae Ceaucescu. Niemand zweifelt daran, daß die „chinesische Frage” den breitesten Raum der Gesprächsrunden in Breschnews Ferienresidenz Oleander bei Jalta beansprucht hat, auch wenn sie mit keinem Wort Erwähnung fand. Schon deshalb, da Breschnew in den Unterredungen mit den Parteichefs der Ostblockstaaten China und die Politik Hua Kuo-fengs schärfstens kritisiert und verurteüt hat, was in der sowjetischen Presse mehr als breitgetreteri wird.

Nicolae Ceaucescu dagegen hatte vor seiner Abreise aus Bukarest die Spannungen zwischen der UdSSR und China als „abträglich für das Ansehen des Sozialismus in der Welt” gerügt, was die große Sowjetunion stillschweigend schlucken mußte. Gleichzeitig hat der rumänische Staats- und Parteichef seine guten Dienste als Vermuttier ange- boten, als welcher sich Ceaucescu im Nahen Osten bereits einen Namen gemacht hat. Für die Kremlführung wiegen aber seine regen Kontakte zu den sogenannten Eurokommunisten mehr.

Die Zähigkeit und romanische Schläue Nicolae Ceaucescus, mit welcher der rote Conducatorul seine politischen Ziele verfolgt, scheint selbst den russischen Bären im Zaum zu halten, für den sich der Block der roten Außenseiter am Balkan - Jugoslawien und Rumänien - zu einer unberechenbaren Größe ausgewachsen hat.

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