Celanscher Ochsenweg

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Achtung, dies ist eine Auftragskolumne. Sie soll von Trockenshampoo handeln. Mitnichten handelt es sich hierbei um eine Werbeeinschaltung.

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Achtung, dies ist eine Auftragskolumne. Sie soll von Trockenshampoo handeln. Mitnichten handelt es sich hierbei um eine Werbeeinschaltung.

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Ich soll eine Kolumne über Trockenshampoo schreiben. Die Auftraggeberin heißt Manu Tomic. Meine Kollegin, die sich in ihrer Freizeit mit Lyrik, Vintage-Design – und Trockenshampoo beschäftigt. An letzterem bin ich schuld. Wobei „Schuld“ das falsche Wort ist. Kollegin Tomic bedankt sich gebetsmühlenartig für meinen Rat, sagt, Trockenshampoo hätte ihr Leben verändert.

Geographisch nähert man sich dem Trockenshampoo via Rendsburg. Die Stadt liegt am historischen Ochsenweg. Früher wurde in dieser Gegend Fernhandel mit Ochsen betrieben. Heute befindet sich dort der Museumsverband „Schleswig-Holstein und Hamburg“, dessen Leitmotiv lautet: „Sammlungen vernetzen – Kultur sichern“. In den entsprechenden Objektkatalog hat es auch eine Dose Trockenshampoo geschafft: „Die gepflegte Frisur gehörte zum Erscheinungsbild der Frau zur Zeit des Wirtschaftswunders. Da sie nur sporadisch zum Friseur ging, half sie sich mit Trockenshampoo“.

Trockenshampoo ist eine Paradoxie. Es hatte bereits am Tag seiner Erfindung ein verstaubtes Image. Heute, wo es in Museumskatalogen aufgeführt ist, betonen Stars wie Ruth Crilly (Model), Meghan (Harrys Frau), Lily Collins (“Emily in Paris”), dass ihr frischer Look am Trockenshampoo liegt.

Manu Tomic, Meghan, die Gattin des Rendsburger Museumsdirektors, die Wirtschaftswunder-Ladys, ich – wir alle sind Schwestern im Geiste. Keine von uns hat die Kraft jeden Morgen das Waschen-Legen-Programm abzuziehen. Dennoch wollen wir alle großartig aussehen. Das tun wir. Dank Trockenshampoo. Na gut, von der Museumsdirektorsgattin weiß ich es nicht wirklich.

Paul Celan. Das Haarmotiv hat in seinen Werken eine enorm hohe Erscheinungsrate – Literaturwissenschafter wissen noch nicht, warum. Sie wissen nur eines: In der celanschen Dichtung steht jedes Wort „in einem direkten Wirklichkeitsbezug“. Würde Celan das Streben, sich mit Trockenshampoo Zeit zu verschaffen, als trivial abkanzeln? Ist Trockenshampoo ein Symbol für die Sehnsucht nach Vintage? Ist das eine wie das andere ein gesellschaftlicher Zwang? Befinde ich mich auf dem Ochsenweg?

Es ist surreal und sowas von real. So wie Manu Tomic, deren Auftrag hiermit erledigt ist.

Lesen Sie auch die Quint-Essenz "Ein Esel in der Sackgasse" oder "Was Hahn umtreibt".

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