Hotelbuchung: Was "Hahn" umtreibt

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Brigitte Quint navigiert durch die Bewertungen eines minderwertigen Hotels in Prag.

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Brigitte Quint navigiert durch die Bewertungen eines minderwertigen Hotels in Prag.

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Ein alter Schulfreund hatte vor Jahren eine Freundin, nennen wir sie Babsi, von der mir nur eines im Gedächtnis geblieben ist: ihre Ansprüche an ein Hotel. Sie bestand darauf, dass es entweder neu gebaut oder frisch renoviert worden war. Auch checkte sie vorab, welche Holzart für die Möbel verwendet wurde. Ebenso die Marken der Matratzen oder welche Art von Bildern an den Wänden hingen. Mein Schulfreund hatte ihre Allüren irgendwann satt.

Mir kam Babsi in den Sinn, weil ich mich auf einer Hotelbuchungsplattform herumtreiben musste. Fatalerweise hatte ich mich bereiterklärt, für einen Mädelstrip nach Prag das Hotel zu organisieren. Vereinbart war, dass keine von uns mehr als 80 Euro die Nacht ausgeben wollte. An die Bleibe stellten wir zwei Anforderungen: Sie sollte sauber und einigermaßen zentral sein.

Schnell merkte ich, wie naiv wir waren. Unter 180 Euro pro Nacht und Nase geht in der Prager Innenstadt in der Vorweihnachtszeit nichts. Doch dann schaltete ich den Filter aus, der mir jene Hotels, die mit „enttäuschend“ oder „schlecht“ bewertet sind, erst gar nicht anzeigt. Ein Volltreffer! Das System spuckte eine Bleibe aus, die unserem Budget entsprach.

Nun musste ich nur noch herausfinden, warum das Hotel so abgekanzelt wurde. Also ackerte ich mich durch die Kommentare. „Jakob“ mahnte an, dass das Bier aus dem Automaten zu warm gewesen sei. „Hahn“ bekrittelte, das Hotel diskriminiere aufgrund der kleinen Zimmer übergewichtige Touristen (er selbst hätte aber Idealgewicht). „Sonja“ monierte die Halterung des Kosmetikspiegels. „Harald“ gab an, nachts voller Angst wachgelegen zu sein, weil im Nebenzimmer gestritten wurde. „Paul“ waren die Stiegen zu steil. „Robert“ waren die Stiegen zu flach. „Nele“ fand das Angebot im Supermarkt nebenan unbefriedigend.

Ob Babsi ihre Probleme in den Griff bekommen hat? Wofür standen die Matratzen, Bilder und Holzarten? Und: Warum sorgt sich „Hahn“ um übergewichtige Prag-Besucher? Was hat es mit „Haralds“ Angstattacke auf sich? Das schlechte Hotel ist jedenfalls gebucht – als Selbsterfahrungstrip, als Experiment. Was soll schon schiefgehen? Wir haben ja jede Menge warmes Bier.

Lesen Sie auch die Quint-Essenzen "Die befreiende Magie" und "Das Comeback von David Cameron und der Freudsche Wiederholungszwang".

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