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März in Washington

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Die Neue Welt ist so neu auch nicht mehr: der stramme Weg zurück nach rechts der republikanischen Mehrheit unter der vollmundigen Führung von Newt Gingrich, veranlaßte die Miami Times zu fragen: „Wer regiert Amerika? Die American Rifle Association?" Trotz zahlreicher Proteste beschloß besagte Mehrheit, die Restriktionen für automatische Feuerwaffen aufzuheben. Ein bitterer Rückschlag für jene, die angesichts der dramatischen Gewaltzunahme den Zugang zu tödlichen Waffen erschweren wollten.

Doch am 20. März passierte ein anderes Gesetz das Repräsentantenhaus, das auch nachdenklich machen sollte: mit 257 zu 169 Stimmen wurde entschieden, daß die einzelnen Staaten berechtigt sind, den Kindern illegaler Einwanderer den Zugang zu öffentlichen Schulen zu verwehren. Gingrich hatte sehr spektakulär dafür geworben: „Allein Kalifornien kosten diese Kinder 1,7 Milliarden Dollars pro Jahr und Florida 424 Millionen! Das ist schrecklich unfair. Man hat nicht auf Kosten gesetzestreuer Steuerzahler zu leben!"

Der Demokrat John Bryant aus Texas schoß empört zurück: „Schämen Sie sich, Mr. Speaker!" Mit diesem Gesetz werden Kinder bestraft, die es sich nicht ausgesucht haben, wohin sie ihre Eltern brachten. Sie dem Analphabetentum preiszugeben, ist grausam, und dumm: es wächst eine Generation heran, die ihrer Chance beraubt wird, eines Tages zu „gesetzestreuen Steuerzahlern" zu werden und stattdessen, zumindestens teilweise, kriminellen Banden in die Arme getrieben wird.

Daß ihre Eltern mehrheitlich zum amerikanischen Bruttonatio-nalprodukt fleißig beitragen, wird geflissentlich verdrängt: Es ist populär geworden, sie unbesehen zu Schmarotzern zu stempeln. Hören wir ähnliches nicht auch bei uns?

Amerika ist nach wie vor das Land unbegrenzter Möglichkeiten. Es ist zu hoffen, daß der um sich greifende Fundamentalismus an Boden verliert gegenüber den ursprünglichen demokratischen Idealen von Gerechtigkeit und Fairneß, die die Gründer des Landes bewegten: als Zuflucht der Verfolgten.

Die Autorin ist

freie Journalistin in Wien.

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