7014987-1988_23_10.jpg
Digital In Arbeit

Roda Roda hatte recht

Werbung
Werbung
Werbung

Osterreich wird durch zwei Neuerscheinungen am Büchermarkt daran erinnert, daß es nicht nur im Jahre 1938, sondern auch zwanzig Jahre davor eine entscheidende Zäsur in seiner historischen Entwicklung erfahren hat. Die beiden Bücher verdanken wir Alexander Friedrich Rosenfeld, nach zwei amtlichen Namensänderungen Roda Roda genannt.

Er wurde entgegen immer noch hartnäckig verbreiteten Falschmeidungen in Drnowitz in Mähren und nicht im slawoni-schen Zdenci geboren, wo er lediglich seine Kindheit und Jugendzeit verbrachte—am liebsten hoch zu Roß und schon früh entschlossen, statt ein schlechter Jurist lieber ein guter Schriftsteller zu werden. Nach sechs Semestern an der Wiener Universität machte er sich ein paar Jahre lang als En-fant terrible beim k. u. k. Militär unbeliebt, was ihm nicht nur den Verlust seiner Charge einbrachte, sondern auch eine Fülle von Erfahrungen, die alsbald — literarisch verwertet — Einzug in den „Simplicissimus“ hielten und damit seinen Ruf als erfolgreichster Humorist seiner Zeit begründeten.

Fortan zog er schreibend durchs Leben, um mit seinen Anekdoten und Novelletten, Aphorismen und Erzählungen, Lustspielen, Romanen und Humoresken die Menschheit zu unterhalten.

Das vom Zsolnay-Verlag herausgebrachte „Große Roda Roda Buch“ mit einem biographischen Nachwort seines Schwiegersohnes Ulrich Becher enthält eine Neuauswahl seiner herzerfrischenden Kurzprosa, in der er seine Zeitgenossen - unter ihnen Peter Altenberg, Peter Rosegger, Frank Wedekind, Ludwig Gang-hofer, Franz Blei und Egon Friedeil —witzig und pointiert, scharfsinnig und charmant karikiert. Die im Jahre 1918 versunkene Monarchie mit ihrer einmalig bunten Mischung aus Soldateska und Aristokratie, Professoren und Lebewelt, Juden und Bauern, Beamten und Fabrikanten feiert in diesem Werk eine fröhliche Auferstehung.

Auf den Vorwurf des ihn zeitlebens mit Verachtung strafenden Karl Kraus, er schrecke nicht einmal vor Veröffentlichungen in Postbüchln und Kalendern zurück, reagierte Roda Roda gelassen: „Man wirft mir vor, ich produziere zu viel, zu wahllos, und schade dadurch meinem Ruf. Unsinn. Ich halte mich an das Beispiel Gottes: was hat Gott nicht alles geschaffen — wieviel Mist darunter —und was hat Gott für einen Namen!“

Die „ernste Seite“ des monokelfunkelnden Originals wurde von der Literaturwissenschaft bisher kaum ,zur Kenntnis genommen. Das in der Edition S erschienene „Große Roda Roda Album“ gibt nun Gelegenheit für eine neue Beurteilung des Satirikers. Das schmale Bändchen, das dem vielversprechenden Titel leider nicht gerecht wird, zumal die Auswahl der Texte nur teilweise geglückt ist, wird von Dana Roda Becher mit Erinnerungen an den Vater im Exil eingeleitet und enthält kaum bekannte Arbeiten sowie Ausschnitte aus dem bisher noch unveröffentlichten Roman „Ein Mann von mittlerer Intelligenz“. In den um größte Objektivität bemühten und mitunter ironisch gewürzten Kommentaren insbesondere zu den Ereignissen während der Zwischenkriegszeit und der Naziherrschaft verurteilt Roda Roda die Dummheit, verteidigt die Menschenwürde, fordert Demokratie.

Zu den interessantesten Kapiteln zählen „Das deutsche Purga-torium“, „Wie ist Deutschland zu behandeln“ und „Von Krieg und Frieden“ — Themen, die genauso aktuell sind wie die Schilderung kakanischer Protagonisten, aus denen österreichische geworden sind. Grund genug, Roda Roda neue Aufmerksamkeit zu schenken, der in einem im Exil verfaßten Gedicht die Bitte ausspricht: „Laßt mich mit den Gedanken / Heute nicht allein...“ Ergänzt wird das Album durch eine Tonbandkassette, auf der Fritz Muli-ar Geschichten von Roda Roda erzählt, die dem „Großen Roda Roda Buch“ sowie dem „Kleinen Roda Roda Band“ (erschienen im Paul Neff Verlag) entnommen wurden.

DAS GROSSE RODA RODA BUCH. Von Alexander Roda Roda. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1988. 532 Seiten, geb., öS 278,-.

DAS GROSSE RODA RODA ALBUM. Bei der Wahrheit ertappt. Bekanntes und Unbekanntes. Dazu die Tonkassette: Fritz Muliar erzählt Geschichten von Roda Roda. Herausgegeben von Manfred A. Schmid. Edition S, Wien 1987. 96 Seiten, öS 220,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung