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Pseudo-Österreich und Östliches

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Roda-Roda, ein liebenswürdiges Original in der österreichischen Literatur von einst, war ein geborener Humorist und zugleich ein trefflicher Erzähler, in dessen Geschichten und Anekdoten ein Stück k. u. k. Österreich lebte. Narrenspiegel wäre ein viel zu hoch gegriffenes Wort für das von ihm aus Zuneigung zum Objekt Konterfeite und Erzählte. Er schrieb einmal eine Geschichte „Der Feldherrnhügel“, worin ein müde gewordener Oberst die unsinnigste Manöverstrategie •ntwickelt, um endlich in Pension gehen iu können. Durch eine pikante Verquickung von Umständen erhält er jedoch statt des ersehnten Zylinders die Generalsstreifen. Roda-Roda und Carl RöBler machten seinerzeit eine nette Bühneaposse daraus, die ungezählte Male aufgeführt und auch verfilmt wurde. In vorläufig letzter Fassung präsentiert sie sich nun als musikalische Parade in 21 Bildern, bearbeitet von Karl Parkas, Geza Herczeg und Hubert Marischka. Gesangstexte von Karl Farkas. Musik: Heinz Sandauer unter Verwendung von Melodien von Richard Fall, Josef Lan-ner, Franz Lehar, Johann und Josef Strauß, Mann-Weiß und Rudolf Bibl. Unwillkürlich drängt sich hier einem das

abgestandene Sprichwort von den vielen Köchen (Regie Karl Farkas), die den Brei (lies Roda-Rodas Humor) verderben, auf. Denn was das Raimundtheater unter einem erstaunlichen Aufwand an Personen, Kostümen, Bühnenbildern und musikalischen Zitaten als k. u. k. Revue bietet, hat mit Roda-Rodas ursprünglichem „Feldherrnhügel“ fast nur noch den Titel und einige dürftige Handlungsfragmente gemein.

Ein paar schauspielerische Lichtblicke: Paul Hörbiger als polyglotter Oberst (er sang auch ungarisch und tschechisch), Maxi Böhm als virtuos böhmakelnde und geradezu strafbar dumme Ordonanz, Emmerich Arleth als Grobian von Wachtmeister, Erich Rolf Arnold (Rittmeister) und seine Partnerin Wanda Kobierska fielen durch gute Stimmen auf. Das Publikum zeigte sich sogar begeistert, als der bärtige Bürgermeister Lueger (als stumme Rolle von einem Statisten dargestellt) auf der Bühne erschien. Wenn aber die Deutschmeister aufmarschierten, da kannte die Erinnerungs- und Beifallsseligkeit keine Grenzen.

Das Staatliche Jiddische Theater aus Warschau (das einzige ständige jiddische Theater Europas) gastierte mit eigenem Ensemble, eigenen Dekorationen und Kostümen im Theater an der Wien. Gespielt wurde am ersten Abend das Volksschauspiel aus dem ostjüdischen Kleinbürgermilieu „Mirele Efros“ von Jakob Gordin. In die noch heile matriarchalische Welt der Mirele Efros brechen durch die nur widerstrebend bewilligte Heirat des einen Sohnes Unordnung und Unheil ein. Die böse Schwiegertochter und ihre Eltern nehmen von allem Besitz und vertreiben die sich vergeblich wehrende Mutter aus dem Haus. Erst Jahre später kehrt sie versöhnt wieder zurück.

Die Gestik der Darsteller, der Singsang ihrer Stimmen muten seltsam fremdartig an, kontrastierten jedoch nicht mit dem etwas altmodischen Thema. Der Darstellungsstil der Warschauer ist ein perfekter Bühnenrealismus, dem das unvergessene Moskauer Künstlertheater unter Stanislawskij als Vorbild gedient haben mag. Von den durchweg ausgezeichneten Darstellern seien Ida Kaminska (in der Titelrolle, zugleich Leiterin und Regisseurin der Truppe) sowie ihr Partner Marian Melman genannt. Starker Beifall.

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