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Rosegger: kritisch

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In Eva Philippoff, Professorin an der Universität Lille, hat der Styria Verlag die bestmögliche Autorin für eine moderne Rosegger-Biographie gefunden. Wie leicht hätte man sich getan, Rosegger als germanent(d)üm(m)li-chen, patriarchalen Antifeministen und (Proto)Na(r)zisten abzukanzeln.

Ohne etwas an den vielen Widersprüchlichkeiten von Roseggers Persönlichkeit zu retuschieren, geht Eva Philippoff den Weg einer objektiven Analyse, deckt die Traumata einer Kindheit, all die schädigenden Behinderungen auf, welche dann kompensiert sein wollten. Wieso aber geriet dies Leben zu einer ruhmgekrönten Überkompensation? Wieso wurde aus dem Schneidergesellen P. R. - nicht unähnlich dem Schneider in Gottfried Kellers Erzählung „Kleider machen Leute” - dank seines selbstgewebten Sprachtalars ein die Leser

überzeugender Prediger und Prophet?

Offensichtlich hängt das damit zusammen, daß in der Epoche der Industrialisierung eine große Zahl von Menschen an ähnlichen Traumata litt wie das Kind Peter. Die „Rückständigkeit” der Älplerwelt, von der dann der hochbegabte Erzähler in die Stadt und die Intellektualität floh, sie war es aber, die er als „grüne Utopie” so darzustellen wußte, daß sie den Schwund an Idealität in der Bevölkerung zu kompensieren vermochte.

Gehört dieser Gesichtswinkel bereits der Rezeptionsgeschichte von Roseggers Arbeiten an - Rosegger in deutschösterreichischer Gegenfunk-tion gegen den damals allmählich eindringenden Marxismus - so bleibt er heute noch ein farbkräftiger Bewahrer von Brauchtum, Gefühls- und Lebensstil einer vergangenen Epoche.

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