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Weg von der Waldheimat

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Die steirische Landesausstellung 1993, die an drei verschiedenen Orten der Steiermark Peter Rosegger gewidmet ist, bietet ein differenziertes Bild des populären Heimatdichters.

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Die steirische Landesausstellung 1993, die an drei verschiedenen Orten der Steiermark Peter Rosegger gewidmet ist, bietet ein differenziertes Bild des populären Heimatdichters.

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„Ich habe kein Land gefunden in der weiten Welt, das so schön und glückselig wäre, wie meine rauhe Bergeshöh' zwischen Wäldern und Wiesen.” So kennen wohl die meisten von uns den steirischen Schriftsteller, mit dessen Namen noch immer für viele das Bild des idyllischen Waldpoeten verbunden ist: Peter Rosegger, den am Fließband produzierenden Verfasser heiler Gegenwelten zu unserem vielfach als bedrohlich empfundenen urbanisierten Zeitalter. In der Idylle der steirischen „Wald-hoamat”, da ist die Welt noch krisenfest und in Ordnung.

Auf den ersten Blick scheint sich auch die steirische Landesausstellung, die heuer Peter Rosegger anläßlich seines 150. Geburtstages und 75. Todestages gewidmet ist, der Nostalgie verschrieben zu haben. Doch der Schein trügt: die Ausstellung räumt ein für alle Mal mit den gängigen Klischees über den beliebten Heimatdichter auf und versucht auf anschauliche Weise, die Wahrheit über Peter Rosegger und die sogenannte „gute, alte Zeit” zu vermitteln.

Lebenswelt und Werk

In dieser Ausstellung wird dem Besucher die Gelegenheit geboten, den Dichter und Journalisten von seiner unbekannten Seite kennenzulernen: Rosegger als kompromißlosen Zeitkritiker, Satiriker und bissigen Humoristen. Aufgrund seiner zuweilen höchst widersprüchlichen Bemerkungen hat sich wohl so mancher ein verzerrtes Bild von ihm gemacht.

In einer geschickten Aufteilung der Ausstellung auf die drei Schauplätze Krieglach, Birkfeld und St. Kathrein am Hauenstein werden dem Besucher (bis 31. Oktober/die für das Leben des Dichters bedeutendsten Aspekte gezielt vor Augen geführt.

Die Themen des ersten Teils der Ausstellung in Krieglach beziehen sich auf Roseggers Lebensweg, auf die Welt und die Zeit, in die er hineingeboren wurde, sowie auf seine Beziehung zu Zeitgenossen und Zeiterscheinungen.

Die Biographie Roseggers wird anhand einer Fülle authentischer Exponate (es sind unter anderem das Gesellenstück des Schneiderlehrlings Rosegger, und zwar eine ansehnliche Herrenbrokatweste, und Roseggers Jahresfahrtausweis der k.u.k. Südbahn zu sehen) anschaulich präsentiert, von den bescheidenen schriftstellerischen Anfängen des „Waldbauernbubs”, dem großen Erfolg von Roseggers Monatsschrift „Heimgarten” bis zu den Auszeichnungen mit drei Ehrendoktoraten namhafter Universitäten.

Der wohl umfassendste Teil der Ausstellung befindet sich in Birkfeld, wo in einem galerieartigen Rahmen versucht wird, dem Besucher die wichtigsten Inhalte des Werkes von Rosegger vor Augen zu führen.

Abgesehen davon, daß der Besucher sich hier ein Bild von der schier ungeheuren Fülle des Werkes Roseggers machen kann-55 Bände, 18.500 Seiten und 350 Ausgaben der Zeitschrift „Heimgarten” -, wird er mit dem Begriff der steirischen Identität konfrontiert. Denn es steht außer Zweifel, daß Rosegger, der auch überregional als steirischer Heimatdichter rezipiert wurde, sich stets mit dem „Steirertum” auseinandergesetzt hat.

So wird in diesem Teil der Schau die Frage aufgeworfen, worin nun eigentlich das Charakteristische der Steiermark und ihrer Bewohner besteht. Außerdem werden zahlreiche inhaltliche Schwerpunkte der Werke Roseggers beleuchtet, die zugleich ein Spiegelbild der geistigen Auseinandersetzungen der zu Ende gehenden Monarchie liefern:

Internationalismus und Nationalismus, Naturbegeisterung und urbanes Leben, Pazifismus und Kriegsbegeisterung, Toleranz, aber auch Antisemitismus, eine fast kindliche Begeisterung für die damaligen technischen Erneuerungen einerseits und die Sorge um die Gefährdung der Umwelt hinsichtlich der fortschreitenden Industrialisierung andererseits.

Rosegger als Katholik

So schrieb Rosegger etwa in seinen berühmten „Schriften des Waldschulmeisters” bereits: „Sie sehen den Wald vor Bäumen nicht. Ja noch mehr, oder zwar noch weniger, sie sehen auch die Bäume nicht. Sie sehen nur das Holz, das zum Zimmern oder Verkohlen, das Reisig, das zum Besen dient.”

Seine skeptische und besorgte Haltung gegenüber den rapiden ökonomischen Veränderungen seiner Zeit mag als reaktionär anmuten; doch der Dichter war stets auf der Suche nach

Alternativen zu den zerstörerischen Vorgängen, die damals ihren Anfang nahmen.

Im dritten Teil der Schau in Roseggers malerischer Heimatpfarre St. Kathrein wird die Beziehung des Dichters zum Glauben und zur Institution Kirche behandelt. Die ehrfürchtige Frömmigkeit, die den Dichter in seiner Kindheit prägte, wich schließlich unter dem Einfluß Grazer Intellektueller einer kritischeren Haltung. Roseggers Werke wurden von klerikaler Seite wiederholt angekreidet, so etwa eine Ausgabe des „Heimgartens” aufgrund einer darin veröffentlichten Abhandlung über Jesus. Andererseits half Rosegger bei der Finanzierung des Wiederaufbaus der abgebrannten Kirche von St. Kathrein mit.

Ebenso ambivalent ist wohl das Verhältnis des steirischen Dichters zu den Juden. Es läßt sich kaum abstreiten, daß sich Rosegger antisemitisch äußerte, doch wäre es sicherlich zu einfach, ihn als Antisemiten abzustempeln. Einerseits verachtet er an den Juden ihre vermeintlichen Charaktereigenschaften, wie etwa „Ichsucht”, „Ruhelosigkeit” und „Corruption”, auf der anderen Seite spricht er sich immer gegen jegliche Verfolgung von Juden aus. Der Humanist Rosegger kritisiert die damaligen Antisemiten scharf.

Roseggers Haltung des „vernünftigen” Antisemitismus erscheint uns heute in jeder Hinsicht problematisch, doch darf man dem im Grunde unpolitischen Dichter nicht die spätere Vereinnahmung durch den Rassenwahn des Nationalsozialismus anlasten.

Die heurige steirische Landesausstellung liefert ein äußerst interessantes, vielseitiges „Roseggerbild” und bringt dabei noch das zeitliche und politische Umfeld ein. Vielleicht ist es nun mit dieser Schau gelungen, einen differenzierten Rosegger jenseits aller Waldheimatidylle zu vermitteln.

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