Rosegger neigt sich - nach rechts

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Das Schauspielhaus Graz eröffnet mit einer Uraufführung von Thomas Arzt seine Saison. Man sieht "Die Neigung des Peter Rosegger" und wundert sich über die Banalität dieses Umstands. Der hätte nämlich auch Eindruck hinterlassen können. Der Dichter Peter Rosegger (1843-1918) ist zweifellos eine steirische Berühmtheit, und jeder, der an diesem Premierenabend im Publikum saß, musste als Volksschüler ein paar Zeilen von ihm lesen. Tatsächlich war Rosegger zu Lebzeiten äußerst erfolgreich: 15 Millionen verkaufte Bücher, dreimal für den Literaturnobelpreis nominiert. Er gilt bis heute als literarische Integrationsfigur für einen Mix aus Heimatliebe und nationalistisch kriegsfreudiger Lyrik. So wurden etwa zu seinem 100. Geburtstag ausgewählte Teile seines Werkes für die nationalsozialistische Propaganda verwendet.

Dennoch: Rosegger bleibt der reine Waldbauernbub, der kein Gebirgswässerchen trübt und keinen Schatten wirft übers blühende Tal. In diesem Licht breitet Arzt sein Drama aus. Es kreist um ein Rosegger-Denkmal, das gewaltig nach rechts kippt, weil ein Erdbeben die gute Heimaterde erschüttert hat, unter der zu guter Letzt auch noch ein alter Nazi begraben liegt. Arzt baut mit den grob beschnittenen Sätzen seiner künstlichen Umgangssprache eine Dorfgeschichte, die einem bekannten Muster folgt: zwei glatt, zwei verkehrt. Ein sogenannter Doktor aus der Stadt betritt als Seismologe (maulfaul gespielt von Franz Xaver Zach) die Heimatidylle, um die "Erderschütterungen" zu erkunden, die rasch zum Wanken des gesamten Landlebens führen. Vizebürgermeister und fanatischer Rosegger-Fan Wiesinger (souverän: Florian Köhler) verliert ob der schicksalhaften Zerstörung seines Heiligtums den Verstand.

Die Funken zünden nicht

Dazwischen befinden sich eine Bürgermeisterin (hochnervös: Evamaria Salcher), ein versoffener Latzhosendenker (superlässig: Nico Link), eine Angestellte mit 1000 Facebookfreunden (supersicher: Susanne Konstanze Weber) und die Archivarin Trost (leichtgeistig: Henriette Blumenau), die vor allem ihren eigenen geisteswissenschaftlichen Annäherungen an Rosegger erliegt. Auch, weil's mit anderen erotischen Annäherungen in diesem Stück so gar nicht klappen will. Die Funken, die Regisseurin Nina Gühlstorff hier zündet, springen nicht. Zuweilen bleibt einem sogar die feuchtvölkische Livemusik (Johannes Fruhwirth, Lea Geisberger, Marcus Weberhofer) im Hals stecken. So interessant es auch erscheinen mag, Roseggers verrutschte Geisteshaltung auf den heimatlichen Boden der Gegenwart zu holen, so "gussartig" wird hier zu Ende gespielt - durchwachsen von bemühten Gegenwartsbezügen und musikalischen Klischees.

Die Neigung des Peter Rosegger

Schauspielhaus Graz, 8.10., 3.11.

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