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Schwedische Seuche

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Die Rauschgiftbeute des schwedischen Rauschgiftdezernats stellte in den letzten Monaten alles bisher Erlebte ziemlich in den Schatten. Mitunter erreichten die beschlagnahmten Narkotika Millionenwerte. Die Hoffnung, daß damit dem illegalen Handel ein tödlicher Schlag zugefügt werden konnte, hat sich jedoch nicht erfüllt. Dieser Handel hat im Gegenteil seine Bemühungen vervielfacht, und die Beschlagnahmeerfolge sind einfach ein Symptom dafür. Heute steht man vor einer Rauschgiftwelle größten Ausmaßes. Besonders deprimierend ist, daß die Händler es anscheinend sehr leicht haben, ganz junge Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren in den Teufelskreis der Rauschgiftsucht hineinzulocken!

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Die Rauschgiftbeute des schwedischen Rauschgiftdezernats stellte in den letzten Monaten alles bisher Erlebte ziemlich in den Schatten. Mitunter erreichten die beschlagnahmten Narkotika Millionenwerte. Die Hoffnung, daß damit dem illegalen Handel ein tödlicher Schlag zugefügt werden konnte, hat sich jedoch nicht erfüllt. Dieser Handel hat im Gegenteil seine Bemühungen vervielfacht, und die Beschlagnahmeerfolge sind einfach ein Symptom dafür. Heute steht man vor einer Rauschgiftwelle größten Ausmaßes. Besonders deprimierend ist, daß die Händler es anscheinend sehr leicht haben, ganz junge Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren in den Teufelskreis der Rauschgiftsucht hineinzulocken!

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Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß eine mächtige Organisation mit weitverzweigten internationalen Verbindungen Schweden als außerordentlich ergiebigen Markt betrachtet. Diese Organisation arbeitet schnell und effektiv und ist in ihren Methoden phantasievoller als Polizei und Grenzkontrolle. Jeder harmlose Reisende kann feststellen, daß die Grenzübergänge nach Dänemark und Schweden heute viel schärfer kontrolliert werden als vor einigen Jahren; Stichproben sind häufiger, und das Gepäck wird dabei äußerst sorgfältig durchsucht. Doch die Großhändler finden immer neue Wege zum „Verbraucher“ in Groß- und Universitätsstädten.

LSD iu Büchern

Was besonders beunruhigt, sind zwei Dinge: Erstens konzentrieren sich die Verkäufer, das letzte Glied in einer langen Kette, immer stärker auf ein jugendliches Publikum, vor allem Schüler und Schülerinnen der höheren Mittelschulklassen, und zweitens findet eine Verlagerung des Angebotes vom Haschisch und anderen leichteren Narkotika zum gefährlicheren LSD statt. Gerade dieses LSD, das wesentlich stärkere, lange Zeit nachwirkende Schädigungen im jugendlichen Organismus hervorrufen kann, ist leichter zu schmuggeln als Haschisch oder Pre- ludin, wobei sich Schweden bisher vergeblich bemüht hat, andere europäische Länder zu einer schärferen Kontrolle des Preludinverkaufes zu bewegen.

Eine. Schmuggelmethode besteht darin, die Ecken eines Buches mit einer stärkeren LSD-Lösung zu präparieren und das Buch dann im Namen eines fingierten Verlages oder mit gefälschter Absenderangabe zu versenden. Der Empfänger gibt lediglich die abgeschnittenen Ecken des Buches weiter, der „Endverbraucher“ löst diese Ecken in Wasser auf. Jede Ecke genügt für einen LSD- Rausch. Ein Buch von 200 Seiten Stärke genügt also, um 200 Portionen LSD ins Land zu schmuggeln. Eine solche Portion LSD wurde in

Stockholm noch vor einigen Monaten um 50 Kronen verkauft (etwa der Preis einer Flasche Importwhisky), im Spätsommer 1970 kostete dieselbe Portion in günstigen Fällen nur noch 5 Kronen. Der Markt ist überreichlich beschickt.

LSD-Abhängige wie Rauschgiftforscher berichten, daß die jetzt angebotenen „Portionen" stärkere und nachhaltigere Wirkung auslösen als früher angenommen und erlebt. Die Halluzinationen und Erlebnisbilder versetzen den Berauschten in andere Zeiten und andere Dimensionen, das Bewußtsein der eigenen Identität geht verloren, der Berauschte glaubt mitunter, die Materialisation bestimmter abwesender Personen erzwingen zu können. Er sieht sich aber auch oft von Personen (oder anderen Lebewesen) bedroht, die er um nichts in der Welt sehen möchte. Diese Rauschzustände können sich bei manchen Personen noch Monate nachher periodenweise wiederholen. Eine solche Vergiftung kann also lange brauchen, bevor sie ganz abklingt.

Jugendliche berichten von grauenhaften Angstzuständen, aus denen sie nicht herausfinden konnten, von der Verlockung zu Verbrechen, wobei sie mit einem winzigen Rest von Besinnung daran erinnert wurden, daß sie sich auf „einer Reise in Nichts oder Untergang“ befanden!

Der Universitätslektor Björn Netz, der LSD selbst erprobt hat, berichtet, daß leichte äußere Einwirkungen den Rausch zu einem grauenhaften Erlebnis für den Betroffenen machen können. Schwedens Rauschgift- experten und verantwortliche Behörden sind nun entschlossen, alles Denkbare zu tun, um die LSD-Gefahr von der Jugend fernzuhalten.

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