Kanzler aller Deutschen, der er sein möchte, ist Helmut Kohl derzeit nur dann, wenn es ins Konzept paßt. Vor den „Landsleuten " in „ Mitteldeutschland " spielt er den nationalen Einiger. Bezüglich der polnischen Westgrenze gibt es von ihm keine Garantieerklärung, bloß eine Junktimierung mit deutschen Forderungen an Polen.
In beiden Fällen betreibt Kohl Wahlkampf: Einmal in der DDR mit Blick auf den 18. März, das andere Mal in der Bundesrepublik, die Bundestagswahlenvor Augen.„Kohl vertritt nur berechtigte Interessen der Deutschen ", sagen seine Verteidiger dazu, „Der Kanzler betreibt eine unanständige Politik ", meinen Kritiker. Jedenfalls ist er die internationale Glaubwürdigkeit innenpolitischer Erfolge wegen zu opfern bereit.
Die oft beschworene Einbindung der Deutschland- in die Europapolitik hat Kohl bisher geflissentlich übersehen. Es darf nicht wundern, daß Warschau mit Angst und Härte reagiert und ein Kommentator der „ Washington Post" sogar meint, wie Polens Grenze könnte von Deutschland bald auch die Österreichs oder Frankreichs in Frage gestellt werden. Übertriebene Ängste? Kohl hat nicht nur nichts dagegen getan, er hat sie hervorgerufen.