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Verjüngte Minna

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Alle Jahre wieder geht im Sommer auf die Burg statt in die Burg, wer die Burg einmal anders erleben will. Auch heuer spielen im Burghof von Neulengbach Burgschauspieler unter der Regie eines Burgschauspielers (Peter P. Jost) einen Klassiker, diesmal Les-sings „Minna von Barnhelm“. Das genau richtige Stück für einen Regisseur, der sich dazu bekennt, die Klassiker nicht umfunktionieren zu wollen, für den in einem Stück aus alter Zeit gerade die Begegnung mit Mensohen-aus alter Zeit und ihren Verhaltensweiseh das Interessante ist.

Die Minna gilt vielen als Stück, in dem die Quantität positiver menschlicher Eigenschaften leicht in die Qualität der Langeweile umschlägt. Jost zeigt die Minna einmal ganz anders. Er sucht im Text nicht nach Stellen, anhand derer man Lessings guten Menschen ihre weniger guten Hintergedanken um die Ohren schlagen könnte, wie es jeder namhafte deutsche Regisseur täte, er hält sich vielmehr an die komödiantische Substanz, und davon enthält die Minna mehr, als mancher geahnt hätte.

Dem Musentempel für eine Sommernacht entkommene Burgschauspieler stellen eine vom Leben pralle, saftige Minna auf die Bretter, daß es eine Freude ist. Bringen scheinbar ganz mühelos das Allgemeinmenschliche mit dem Zeitkolorit auf einen Nenner, ohne letzteres zu schmälern. Jede Retusche an der Sprache erweist sich als überflüssig, antiquierte Floskeln stören überhaupt nicht, Tellheims nach heutigen Auffassungen unsinnige Ehrbegriffe werden zum nichtigen Anlaß, der Liebesleute auseinanderzubringen droht, und der ewig junge Inhalt der „Minna“, die Verzweiflung von Menschen, die einander heben, aber vorübergehend glauben, nicht zusammenkommen zu können, tritt in den Vordergrund.

Else Ludwig: eine Frau weder von gestern noch von heute, sondern eine, die alles tut, um zu erreichen, was sie will. Frank Hoffmann: Ein Mann behebigen Zeitalters, der seine große Liebe mit seinen großen Maximen nur mit Mühe (einer sehr klugen Frau) auf einen Nenner bringt. Dazu ein (ditto ewiges!) Prachtstück von schleimigem Wirt (Helmut Janatsch), ein entzük-kendes Frauenzimmerchen (Hilke Ruthner), zwei Männer von mittlerweile freilich, leider, unwahrscheinlich gewordener Anständigkeit (Michael Janisch, Tom Krinzinger) und ein von Götz von Langheim gespielter, sehr ungewöhnlicher Riccaut. Der als Charakter ernstgenommene Schnorrer und Spieler, üblicherweise verblödelt, hier Prüfstein einer Aufführung, in der alles stimmt. Auch das Bühnenbild von Manfred Speiser.

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