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Ein Lustspiel und ein Schaustck

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In der schönsten aller Kritiken über Lessings „Minna von Barnhelm“, die Matthias Claudius vor mehr als 200 Jahren geschrieben hat, heißt es: „Mir war den ganzen Abend das Herz so groß und so warm..Das trifft genau die Stimmung, in die uns Lessings Lustspiel auch heute noch versetzt, das übrigens einmal ein Zeitstück sondermaßen, voll der Anspielungen und Seitenhiebe auf die vergangenen Kriegsjahre gewesen war, eine richtige Friedensfeier, wie dergleichen nicht zu jedem Friedensschluß gedichtet wird. Lessings Humanitätsideal hob diese Schöpfung, deren meisterliche Dramaturgie ebenfalls immer zu bewundern ist, weit über des Dichters Zeit und Umgebung hinaus. Aber ob sich seine klare, direkte, ohne alle Umstände auf Rede und Gegenrede gestellte Sprache — so reich an Verstand, Witz und Gemüt — auch heute noch behauptet? Sie tut es, sie tut es! Denn wenn das junge schlanke Fräulein Minna den in den Ehrenkodex seines Standes gezwängten stocksteifen Major Teilheim durch zärtliche Wärme und Herzlichkeit zum Menschen befreit, so geschieht das mit so viel lächelnder Grazie wie nur noch in ganz wenigen Lustspielen unserer komödienarmen Literatur.

Die Inszenierung im Theater in der Josef Stadt (unter Dietrich Haugk) stand im Zeichen junger Schauspieler und im richtigen Gleichgewicht von Ernst und Heiterkeit. Mag auch nicht alles geraten sein — es war, im ganzen gesehen, eine gute Aufführung. Michael Heitau gab einen ranken und straffen Tellheim, nur manchmal noch ein wenig zu fahrig und überhitzt. Auch etwas Humor täte gut! Johanna von Koczian war eine natürlich damenhafte und zugleich zärtlich werbende Minna, im Schalkhaften freilich bisweilen ein wenig geziert. Elfriede Ott lieh dem flinkfüßigen, zungenfertigen „Frauenzimmerchen“ Franziska ihre kokette Komik. Franz Messner war ein vergnüglich unwirscher, treuherziger Just, wogegen Rudolf Rösner als gutmütiger, kreuzbraver Wachtmeister Werner etwas schablonenhaft blieb. Erik Frey mimte die Paraderolle des schmierigen Glücksritters Riccaut ohne Uber-treibungen, hingegen geriet Fritz Schmiedels schnüffelnder Gastwirt allzu gebärdenreich. Luzi Neudecker als Dame in Trauer und Karl Fochler als Graf von Bruchsall waren farblos. Der lebhafte Beifall des Publikums galt den Darstellern und nicht zuletzt Lessing.

„Das heilige Experiment“ von Fritz Hochwälder (anläßlich der Wiener Premiere von 1947 und darnach in der „Furche“ ausführlich besprochen) gilt als sein erfolgreichstes Stück, das dem Autor auch internationalen Ruhm eingebracht hat. Andere ziehen seine Dramen „Donadieu“ und „Die Herberge“ vor, weil sie mehr dichterische Substanz, mehr Menschen mit Tiefgang und Wandlungsfähigkeit enthalten. Jedenfalls ist das Drama über das grandiose Experiment der Jesuiten, in der ersten Hälfte Porträtzeichnung von Anton Watzl des 17. Jahrhunderts einen sozialen „Gottesstaat“ in Paraguay aufzurichten, was sie in Konflikt mit der weltlichen wie der geistlichen Macht bringt, eine auf die knappste und einfachste Formel gebrachte dramaturgische Tat, die dem Bühneninstinkt Hochwälders — heute eine Seltenheit — zur Ehre gereicht. Die Neuinszenierung im Burgtheater unter der umsichtigen Regie Franz Reicherts und in dem eindrucksvollen Bühnenbild Stefan Hlawas war ein starker Publikumserfolg. Aus der großen Reihe der Mitwirkenden ragte die intensive Leistung Ewald Baisers als Pater Provinzial hervor.

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