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Im Dienste des Dichters
Es gibt heute Regisseure, denen bedeutende Bühnendichtungen der Vergangenheit lediglich als Material für die Willkür ihrer regielichen Zugriffe dienen. Demgegenüber erklärte Ingmar Bergman vor kurzem in seiner Rede bei Entgegennahme der Goethe-Medaille, er und seine Schauspielerkollegen „lauschen nach innen, hören auf das Herz des Dichters, versuchen zu verstehen, weshalb er sich gerade so ausgedrückt hat“. Zu Regisseuren dieser Art gehört Leopold Lindtberg, Spielleiter der derzeitigen Neuinszenierung des Zaubermärchens „Der Verschwender“ von Ferdinand Raimund im Burgtheater, einer Aufführung, die in Bregenz bereits gezeigt wurde.
Es gibt heute Regisseure, denen bedeutende Bühnendichtungen der Vergangenheit lediglich als Material für die Willkür ihrer regielichen Zugriffe dienen. Demgegenüber erklärte Ingmar Bergman vor kurzem in seiner Rede bei Entgegennahme der Goethe-Medaille, er und seine Schauspielerkollegen „lauschen nach innen, hören auf das Herz des Dichters, versuchen zu verstehen, weshalb er sich gerade so ausgedrückt hat“. Zu Regisseuren dieser Art gehört Leopold Lindtberg, Spielleiter der derzeitigen Neuinszenierung des Zaubermärchens „Der Verschwender“ von Ferdinand Raimund im Burgtheater, einer Aufführung, die in Bregenz bereits gezeigt wurde.
Zaubermärchen? In (die Welt des Dichters einzudringen, darum geht es laut Bergman, was heute nicht mehr selbstverständlich ist. Eben das Märchenhafte dieses Stücks wird in der Regie Lindtbergs vor allem durah die Bühnenbilder von Günter Walbeck ungleich mehr als sonst henausgeholt. Die Gebirgsgegenden sind Geheimnisbereiche, in denen das gefährliche Surreale der Romantik lauert, das in der Szene mit dem nuinenhaften Schloß ins dunkel Gespenstige rückt. Nichts wirkt da naturalistisch, das hoch aufragende, neue Schloß ersteht in vibrierenden Pinselstrichen, Verfremdendes gibt es auch sonst. Das Geschehen um die Fee Gheristane ordnet sich in die Waldromantik ein, die Auswirkung im Schicksal des Verschwenders Flottweli wird glaubhafter als sonst. Um den Zauber des Zaubermärchens ist es in dieser Inszenierung zu tun, nicht um sozialikritische Bezüge, die bei einer Verlagerung des gegebenen Gefüges möglich wären. Das Sozialkritische war für Raimund Anlaß, nicht mehr.
Als Flottwell bekundet Walther Reyer Noblesse, die spätere Verarmung berührt ihn nicht allzu stark. Spitzenleistungen bieten Josef Meinrad als Valentin, Inge Komradi als seine Frau Rosa und Alma Seid-.ler als altes Weib. Blässer als sonst wirkt Fritz Mutiar als Kammerdiener, Sonja Sutter bleibt als Fee Che-ristane gute Sprecherin, hat kaum Ausstrahlung, Attila Hörbiger läßt leider das Geheimnisvolle des Bettlers vermissen, Alexander Trojan ist ein kokett sich gehabender Chevalier Dumont. Die fast opernhafte Musik von Konrad Kreutzer wind in der Einrichtung von Kurt Werner auch während des Spiels eingesetzt.
Gibt es kein Vertrauen mehr zu den Rübnendiahtern von früher? Doch, die Aufführung des Dustspiels „Minna von Barnhelm“ von Lessing im Volkstheater unter der Regie von Gustav Manker bringt ebenfalls den Beweis dafür. Es bedarf keiner Manipulation, will man nicht sich selbst, sondern das Stück in Szene setzen. Es bedarf nur guter Besetzung, guter Führung, und dieses Lustspiel beginnt zu leuchten. Obwohl Lessing, mit Ausnahme des Riccaut, lauter besonders gutartige Menschen vorführt, ein Faktum — Theater ist Gegenwart —, das den heutigen täglichen Erfahrungen so sehr widerspricht. In einem neuen Stück würden wir kaum an dermaßen wohlgeartete Gestalten glauben, hier tut es wohl. Noch dies: Die beiden Frauenzimmer; Minna und Franziska, fallen aus ihrer Zeit, sie wirken überaus heutig, sie ergreifen in Sachen Liebe selbst die Initiative.
Die beste Minna, weit zurückgesehen: Anne Stegmann. Sie erweist sioh als klug, herzlich, temperamentvoll, sie hat Charme, wirkt distinguiert damenhaft Ernst Cohen besitzt durchaus den jugendlichen Eigensinn und Stolz des Teilheim, aber auch das Herrenmäßige. Eine drollige Franziska mit Hausverstand und Menschenkenntnis ist Dolores Schmidinger. In den weiteren Rollen: Harry Fuss, ein neugieriger, sehr gescbäftsbedachter Wirt, Manfred Jaksch, ein ungehobelt gutmütiger Just, Rudolf Strobl, ein martialischer, doch etwas zu alter Wachtmeister Werner, Egon Jordan, ein flunkernder Desperado Riccaut. Nirgendwo Übertreibungen. Ansprechende Bühnenbilder und Kostüme von Max Tschunko. Eine sehenswerte Aufführung.
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