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Zwei Familiengeschichten

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Dramatiker postulieren manchmal Richtsätze, die sie selbst in ihren Stücken nicht anwenden. So erklärte Francois Billetdoux zu seinem für die Schauspielerin Madeleine Renaud geschriebenen bürgerlichen Epos in fünf Sätzen „Durch die Wolken“, das derzeit im .Akademietheater gespielt wird, daß es beim Theater erforderlich sei, stets in Verbindung mit der kollektiven Wirklichkeit zu bleiben, daß man Realist sein müsse. Beides trifft auf sein Stück nicht zu.

Frau Ciaire Verduret-Balade hat es durch Tüchtigkeit und Heirat aus kleinsten Anfängen zum Besitz eines großen Unternehmens und zu Reichtum gebracht, als sie aber sieht, daß ihre drei Söhne, jeder in anderer Art, Nieten sind, verschleudert diese Starke unter den Schwachen, was sie erwarb, bis sie nur noch ein paar Edelsteine in der Hand behält. Das breit ausgeführte Familienpanorama zeigt letztlich das Unbefriedigende alles materiellen Strebens, aller materiellen Erfolge. Was aber zeitlosen Wert besitzt, wird nicht einmal angedeutet.

Als gestaltgewordene Erinnerung begleitet Ciaire der in der Ferne verstorbene einstige Jugendgeliebte durch das Stück, ein ziemlich ohnmächtig bleibender Versuch, die Szenenfolge zu poetisieren. Zum Durchstoß „durch die Wolken“ irdisch betriebsamer Erfolge, zur „Auffahrt“, zur Verklärung fehlen alle inneren Voraussetzungen, es gelingt Billetdoux keineswegs, dies szenisch existent zu machen. Daß er nicht Realist bleibt, indem er die Realität durchbricht, die Zeit relativiert, bringt keinen Gewinn, die kollektive Wirklichkeit des Zuschauers erreicht er nicht. Vollends verhindert die filmische Anlage des Stückes mit überaus zahlreichen, huschartigen Kurzszenen auf vielen simultanen Schauplätzen jede Vertiefung und Spannung. Die Bühnenarbeiter sind zum Umstellen der Möbel und Versatzstücke zeitweise fast mehr auf der Bühne als die Darsteller.

Axel von Ambesser gelingt es als Regisseur durchaus, dieses Geflitze von Gesprächen, bei denen der Partner oftmals stumm bleibt, ins Szenische umzusetzen. Doch läßt er Alma Seidler die Ciaire am Schluß fälschlich als Irre spielen; sie soll aber nur für wahnsinnig gehalten werden, es aber nicht sein. Er zeigt so lediglich das Niederreißen, nicht den Ansatz zum Neuen, um den es dem Autor geht. Die starke Menschlichkeit von Frau Seidler nimmt Ciaire die Kanten, die erforderliche Härte, die fanatische Entschlossenheit, sie bleibt ein liebenswerter Mensch. Die Söhne sind mit Alexander Trojan, der sich sehr beachtlich zum Charakterschauspieler entwickelt, mit Erich Auer und Thomas Egg gut besetzt. Philipp Zeska ist glaubhaft der simandlhafte Professorgatte, Heinz Trixner eine sympathische Gestalt des Erinnerns. Die zwangsläufig spärlichen Schauplatzandeutungen stammen von Rudolf Schneider-Mann-Au.

Lessing spricht über das „armselige Vergnügen der Überraschung“. Wenn nun ein Konfektionär des Stückeschreibens wie der 44jährige Ire Michael Sayers dennoch glaubt, seine in der Nähe Dublins spielende Komödie „Drei Väter“, die im Theater in der Josefstadt gegeben wird, auf eine Überraschung am Schluß hin anlegen zu müssen, die aber gleich am Anfang erraten wird, so hebt er das Stück aus den Angeln. Die Professorenstochter Maureen, liebend betreut von Vater, Pfarrer und Doktor, ist ein Wildfang, wie man ihn sich zu Marlitts Zeiten vorstellte. Als drei junge Kerle um sie werben, erklärt sie, ein Kind zu erwarten, aber, was wir längst vorausgesehen haben, sie erwartet keines, sie will nur ihre Bewerber prüfen, ob sie von ihnen wirklich geliebt wird. Einige Prisen von typisch Irischem sind zugemischt, doch soll man deshalb nicht gleich von Dichtung sprechen. Der Vorzug des Stücks besteht in den gut durchgezeichneten Rollen, die im Josefstädter Theater unter der gewandten Regie von Hans Hollmann — worauf man an dieser Bühne so besonderen Wert legt — komödiantisch ausgespielt werden. Das gelingt Marianne Nentwich als Maureen, Erik Frey, Georg Bucher, Guido Wieland als den „drei Vätern“, Christian Futterknecht, Gottfried Schwarz, Peter Matic als den drei Freiern und Fritz Muliar und Lotte Lang in weiteren Rollen. Thomas Richter-Forgäch schuf das besonders reizvolle Bühnenbild.

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