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Familiengeschichten

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Selbstverständlich hätte das Burgtheater die Aufgabe, der 100. Wiederkehr des Geburtstages von Hugo von Hofmannsthal mit. einer Aufführung zu gedenken. Auch das Volkstheater hat keines seiner Stücke auf den Spielplan gesetzt. Es ist einzig das Theater in der Josefstadt, das mit der Wiedergabe zweier Lustspiele dem Anlaß gerecht wird. Auch die Enthüllung einer Hofmannsthal-Büste ist vorgesehen. Zunächst: „Der Unbestechliche.“

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Selbstverständlich hätte das Burgtheater die Aufgabe, der 100. Wiederkehr des Geburtstages von Hugo von Hofmannsthal mit. einer Aufführung zu gedenken. Auch das Volkstheater hat keines seiner Stücke auf den Spielplan gesetzt. Es ist einzig das Theater in der Josefstadt, das mit der Wiedergabe zweier Lustspiele dem Anlaß gerecht wird. Auch die Enthüllung einer Hofmannsthal-Büste ist vorgesehen. Zunächst: „Der Unbestechliche.“

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Hofmannsthal erklärte, er habe dieses Stück nur „so hingeschrieben“. Daß der junge Baron Jaromir seine „Mätressen paarweise herbestellt ins Haus, jetzt wo er verheiratet ist“, wie der Diener Theodor ergrimmt anklagend feststellt, das ist als Voraussetzung nicht recht glaubwürdig, könnte von Frau und Mutter nicht einfach so hingenommen werden. Die. reuige Umkehr vollends durch die Machinationen des Dieners wirkt als gewollt begütigender Schluß. Und doch amüsiert und entzückt nach wie vor der Einblick in die einstige Miniaturhierarchie einer adeligen Familie mit ihrer Dienerschaft, in die Art, wie Behutsamkeit und Noblesse den Umgangston bestimmen. Und eben dieses Schwebende, dieses österreichische in der Gesamthaltung bringt Regisseur Ernst Haeus-serman vortrefflich heraus.

Das Großartige des Stücks ist, man weiß es, die Gestalt des Theodor. Otto Schenk macht mehr als die früheren Darsteller dieser Rolle das Menschliche spürbar. Dieser Theodor, ist nicht nur kantig oder schwank-haft dargebotene „ehrerbietige Unverschämtheit, unterwürfige Aufsässigkeit“, er ist verstört, sehr glaubhaft in seiner „Menschenwürde“ verletzt durch die „männliche Erbärmlichkeit“ des Barons, da er doch die „Aufsicht über das Ganze in Händen“ hält. Schenk lotet die Gestalt vielleicht als erster voll aus. Heinz Ehrenfreund wirkt als Jaromir weniger attraktiv als erforderlich, Anaid Iplicjian zeichnet die Melanie Galattis, eine der beiden eingeladenen Damen, mit besonderer Subtili-tät durch, Marianne Nentwich erweist als die andere Anmut, Gertraud Jesserer bleibt als Gattin farblos. Als Jaromirs Mutter verkörpert Angela Salloker glaubhaft die vornehme, silberhaarige Dame einer einst führenden Gesellschaftsklasse, Egon Jordan ist als General ein Kavalier, wie es sie leider kaum mehr gibt. Luzi Neudecker hat das Verschüchterte der von Theodor tyrannisierten Zofe. Den reizvoll intimen Schloßhof entwarf Lois Egg, für die aparten Kostüme zeichnet Monika Zallinger.

Das „Ensemble im Kärntnertor“ spielt derzeit den abendfüllenden Einakter „Die Kleinbiirgerhochzeit“, den Bertolt Brecht mit etwa einundzwanzig Jahren merkbar als Fingerübung geschrieben hat. Das Stück wurde bisher von zwanzig deutschsprachigen Bühnen aufgeführt. Ist dies ein Beweis besonderer Güte? Keineswegs. Man sieht eine kleinbürgerliche Gesellschiaft beim Hochzeitsessen, es wird dummes Zeug geredet, kleine Sticheleien steigern sich zu Andeutungen von Konflikten, die selbstgebauten Sitzmöbel brechen zusammen, was nach Einwirkung des Weins und der Gelöstheit durch Tanz dazu führt, daß sich einiges an Turbulenz begibt. Ist dies ein derbes Genrebild nach Art der niederländischen Maler? Dazu fehlt das satte Behagen. Werden die .grotesk-komischen Familien der absurden Stücke vorweggenommen? Dazu fehlten die Akzente. Sinnbild für einen Zusammenbruch? Es bleibt beim Abklatsch.Ein Song kündet voraus den späteren Brecht an.

Regisseur Georg Remoundos versucht eine Aktualisierung: Die Kleinbürger gehören bereits der heutigen Wohlstandsgesellschaft an, sie tragen Smokings. Das Stück wird dadurch nicht besser. Doch gelingt dem Ensemble mit Sonja Burian und Hagnot Elischka als Brautpaar naturalistische Kleinmalerei.

Theater zu Werbezwecken. Agitprop mit uneingestandener Ausrichtung Folterkammer und sonstiger Terror ist nicht mehr letzter Schrei. Im „Theater der Courage“ soll das Stück „armer hund“ des Engländers Peter Ransley um Verständnis für die Körperbehinderten werben. Dabei sieht man, wie solch ein alleinlebender Behinderter von mehreren Personen der, staatlichen Fürsorge vorsorglich betreut wird, sich aber in seiner Verstörung — fast ausschließliche Fixiierung auf mangelnden Sex — ihnen gegenüber skandalös benimmt. Im Gefüge des Gezeigten trifft die Aligemeinheit kein Vorwurf, das Stück verfehlt den Zweck. Unter der Regie von Anton Zettel stellt Rudolf Jusits überzeugend diesen „armen Hund“ dar.

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