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Drei Frauen

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Ein Stück, das vor vierzehn Jahren im Volkstheater zu sehen war, wird nun vom Burgtheater nachgespielt: die tragische Komödie „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt. Die Scheu vor Neuem an diesem Theater führt dazu, möglichst nur bereits Bewährtes zu spielen. Nun, nachdem das Stück längst ein Welterfolg wurde, hat man den Mut dazu.

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Ein Stück, das vor vierzehn Jahren im Volkstheater zu sehen war, wird nun vom Burgtheater nachgespielt: die tragische Komödie „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt. Die Scheu vor Neuem an diesem Theater führt dazu, möglichst nur bereits Bewährtes zu spielen. Nun, nachdem das Stück längst ein Welterfolg wurde, hat man den Mut dazu.

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Bekanntlich fordert Frau Zachanas-sian, die zur Multimilliardärm gewordene Bordelldirne, den Tod Iiis, des Mannes, der sie einst mit einem Kind sitzen ließ, und will dafür der betreffenden Gemeinde eine Milliarde schenken, wozu es dann auch kommt. Das ist keine Komödie, sondern eine Farce mit pfeilspitzer Aussage. Gerechtigkeit wird als kalte Rachsucht entlarvt. Dem erwachenden Gewissen des einzelnen, dieses III, steht der Gewissensverrat des Kollektivs, der Bewohner von Güllen, um wirtschaftlicher Vorteile willen gegenüber. Die Gemeinschaft handelt immer selbstsüchtig und nie ethisch, sie ist böse an sich, das springt als Erkenntnis heraus. In der Aufführung unter der Regie von Gerhard Klingenberg wird, sehr beachtlich, der infernalische Entschluß der Gemeinde, „Gerechtigkeit“ walten zu lassen, szenisch zu einer wirksamen, sozusagen negativen Apotheose gesteigert. Die Dekorationen von Zbynek Kolar bestehen aus Teilbildern mit Projektionen dahinter. Alma Seidler spielt die Zachanassian mit der Gelassenheit einer Frau, deren geringste Handbewegung Welten versetzt.Ewald Baiser gibt dem III eine Heiterkeit, die sich gegenüber dem Tod zu ruhiger Gefaßtheit wandelt.

In beiden Häusern des Burgtheaters sah man in dieser Spielzeit ein einziges Stück, das nicht als Reprise angesetzt war oder deutschsprachigen •Bühnen nachgespielt wurde: die Komödie „Gugusse oder Die Orangen sind reif“ von Marcel Achard im Akademietheater. Dieser routinierte Boulevardier mit dem schmalen Ordensbändchen des Poetischen von vormaleinst im Knopfloch glaubt einer Begebenheit komödienhaft beikommen zu können, die in der harten Realität politischer Verbissenheit fast stets tragisch geendet hätte. Es gibt da während der Besetzung von Paris die Liebe der verheirateten Frau Margot zu einem deutschen Oberst, die unentwegte Zuneigung des ihr hilflos ergebenen Gatten, die Gerichtsverhandlung gegen die beiden nach dem Krieg wegen Kollaboration und den Freispruch von Achards Gnaden. Das sympathisch Versöhnliche des Stücks wird vom Unversöhnlichen der damaligen Zeit desavouiert. Achard wollte wider Unmenschliches argumentieren, aber mit Marzipanfiguren gelingt das nicht. Doch die Darsteller bieten unter der Regie von Richard Münch eindrucksame Leistungen, vor allem Annemarie Düringer als verführerische Margot, aber auch Ernst Ander als gutmütiger Gatte, Rudolf Melichar als untadeliger Oberst. Dieeinfühlsame Übersetzung stammt von Edmund Th. Kauer.

Im Theater in der Josef Stadt versagt Fritz Kortner, der auch am Burgtheater überzeugende Inszenierungen geschaffen hat, bei der Regie von Lessings „Emilia Galotti“. Auf das schleppende Tempo, auf die ständigen Pausen ist man bei ihm schon gefaßt. Was aber von der ersten Szene an peinlich auffällt, ist die ungezogene Art, wie sich fast alle Gestalten dem Prinzen gegenüber benehmen. Lessings vehementer Angriff gegen die Unsitten der Mächtigen zielt damit ins Leere, der Prinz — wir sehen es nur zu deutlich — ist gar kein Mächtiger. Entscheidende Rollen sind völlig falsch besetzt, die Darsteller entsprechen aber merkbar Kortners beharrlicher Intention, die Charaktere auf jeden Fall gänzlich umzustülpen. Klaus Maria Brandauer ist als Prinz nicht der in Liebe vorübergehend erglühende Wollüstling, sondern ein schwärmerischer sentimentaler

Jüngling, der, am Boden liegend, das Bildnis Emilias zärtlich küssen muß. Die zutiefst religiöse Emilia, die vor ihrer Sinnlichkeit flüchtend, den Tod will, wird durch Marianne Nentwich zu einem lispelnden Gänschen, das sich unentwegt entsetzlich fürchtet. Den übersteigerten Schluß bringt Kortner um keinen Deut näher. Kurt Heintel spielt den Marinelli. Statt eines feigen, boshaften „Kleinkrämers der Schurkerei“ ist das ein überlegener Kraftkerl, der mit dem Prinzen umspringt als sei er ein belangloses Irgendetwas. Lediglich Susanne Almassy verkörpert dek-kend eine der Hauptgestalten, die Gräfin Orsina, ihren Stolz, ihre Leidenschaft, ihre geistige Profilierung, die Verstörtheit. Es ist aber nun unerklärlich, daß sich eine solche Frau in den von Kortner zu einem Bläß-ling umfunktionierten Prinzen verliebt hat. Die fragmentarischen Bühnenbilder von Monika Zallinger haben ungleiche Qualität.

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