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Die schöne Aussicht

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Die Entdeckung des österreichischen Dichters ödön von Horvath erscheint nunmehr endgültig abgeschlossen: das einzige Stück des Autors, das noch nie aufgeführt wurde, die Komödie „Zur schönen Aussicht“, hat nun — als erster Beitrag der Vereinigten Bühnen zum Steirischen Herbst ‘69 — das Licht der Bühne erblickt. Es läßt sich verstehen, warum zwischen Entstehung und Uraufführung fast ein halbes Jahrhundert vergangen ist: Der Aufbau des Stückes ist recht schwächlich und wenig wirksam. Um einen kräftigen, packenden zweiten Akt ranken sich zwei eher unbedeutende Themen, werden aufgenommen und wieder fallengelassen, die Personen der Handlung stehen in einem merkwürdigen Zwielicht zwischen Realismus und Typisierung.

In der frostigen Atmosphäre eines fallierenden Hotels treffen und verketten sich durch ihre Schicksale die seltsamsten Gestalten: eine alternde, geldschwere, nymphomanische Baronin, ein degenerierter Aristokrat, ein nach Zucht und Ordnung rufender Kleinbürger, ein herabgekommener Offizier, ein ästhetisierender ehemaliger Künstler und ein dumpfanimalischer Proletarier. Die Möglichkeit zum Ausbruch aus diesem moderigen, doch konservierenden Bund scheint durch das Auftauchen eines — halb sentimental, halb verklärend gesehenen — jungen Mädchens gegeben. Zuerst versucht das obskure Männerkollektiv, den störenden Eindringling zu vernichten; das Unternehmen wird aber in dem Augenblick aufgegeben, da sich herausstellt, daß das Mädchen ein kleines Vermögen geerbt hat. Nun ergreift jeder den Strohhalm, um mit der jungen Frau dem Sumpf zu entkommen; diese jedoch geht, ohne irgendeinen der Rettung wertzuhalten.

Die Inszenierung von Gerald Szyszkowitz ist höchst sehens- und noch mehr hörenswert. Schon lange nicht mehr hat man in Graz so blendend instrumentierte und exekutierte Dialoge gehört: Szyszkowitz hat sich ein treffliches Ensemble geformt, aus dem allerdings der ausgezeichnete Schauspieler Fritz Holzer (als Strasser) noch um einiges hervorragt.

Andere saisoneröffnende Aufführungen zeigten weit weniger Qualität. „Barfuß im Park“ etwa ist ein ziemlich unnötiges amerikanisches Lustspiel, das zwar verfilmt wurde, aber deshalb noch nicht gut ist. Die Inszenierung (Michael Hampe) entsprach dem Stück: Man langweilte sich, war verärgert über outriertes Spiel und ging enttäuscht nach Hause. Nicht viel anders erging es einem bei einer von Klaus Gmeiner betreuten Wiederbelebung der ,Mirandolina“ von Goldoni. Das Stüde ist weder vom Text her, noch von den Typen, noch von den Sitationen interessant. Vertretbar wäre einzig eine völlig unkonventionelle, das übliche Klischee meidende Aufführung gewesen. So aber wurde lieb und brav, täppisch und läppisch das harmlos-freundliche Spielchen gespielt, das hierzulande oft für „Comedia deU’arte’r gehalten wird.

Wesentlich besser, wenngleich auch nicht ganz befriedigend, sah es mit der Eröffnungspremiere der heurigen Grazer Schauspielsaison aus. Moliöres ,£)on Juan“ ist ein schwieriger Brocken für einen Regisseur. Jan Bisczyckis Lösung hatte trotz einer gewissen Trockenheit des Vorgangs und einer zu oberflächlichen Situierung der Titelgestalt im Playboyhaften eine Reihe guter Momente. Sie ergaben sich in erster Linie aus dem bezaubernd naiven Zusammenspiel des Buffopaares Pierrot (Branko Samarovski) und Charlotte (Ute Radkohl), denen das charmante österreichisch in hochdeutscher Fassung von Hans Weigels großartiger Übersetzung sehr zugute kam.

An der ersten Opempremiere dieser Saison — Wagners „Holländer“ — störte die einfallslose, altmodische Personenführung wogegen der musikalische Anteil dieser Aufführung, die von Berislav Klobuöar geleitet wurde, zweifellose Meriten hat. DuSan Popovi6 ist ein stimmgewaltiger, aber schwer beweglicher Holländer, Roberta Knie erwies sich in der Rolle der Senta als bedeutende Könnerin mit stark lyrischem Timbre und vorzüglicher Technik.

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