Ist die Ehre "nur" die Ehre?

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Mit guten Akteuren ist Lessings "Minna von Barnhelm" auch heute der Erfolg sicher.

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Mit guten Akteuren ist Lessings "Minna von Barnhelm" auch heute der Erfolg sicher.

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Wieviel bedeutet einem Menschen seine Ehre? Wie sehr muß man unter ihrem Verlust leiden und andere (mit)leiden lassen? Um diese Fragen, die unserer Zeit eher fern liegen mögen, geht es in "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing. Die jüngste Premiere am Wiener Burgtheater war diesem seltenen Fall eines klassischen deutschen Lustspiels von Bedeutung gewidmet: Eine junge Frau ringt um ihren Verlobten, der nach dem Siebenjährigen Krieg verleumdet, verarmt, invalid in Berlin um seine Rehabilitierung kämpft und erst, wenn ihm volle "Genugtuung" widerfahren ist, wieder in Beziehung zu ihr treten will.

Ist für Shakespeares Falstaff die Ehre "Luft", so sagt Lessings Minna: "Die Ehre ist die Ehre." Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Selten bricht das übertriebene - nicht nur preußischen Offizieren eingeimpfte - Ehrgefühl ihres geliebten Majors von Tellheim deutlicher durch als in der Szene, in der ihn der junge Regisseur Jens-Daniel Herzog eine Ohrfeige von ihr prompt mit einer Gegenohrfeige beantworten läßt. Dafür wird auch intensiver geküßt als in anderen "Minna"-Inszenierungen. Herzog versteht es, gefühlsmäßige Höhepunkte zu betonen.

Wie er die Rolle des Tellheim besetzt hat und anlegen läßt, ist freilich ungewöhnlich, ja sogar befremdend. Johann Adam Oest ist ein hervorragender Schauspieler und Sprecher, stellt hier aber von Anfang an in jeder Geste einen so gebrochenen Menschen dar, daß kaum ein Mensch auf die Idee käme, er habe es hier mit einem verabschiedeten preußischen Offizier zu tun. Dieser Tellheim und seine Minna - die wieder einmal grandiose Anne Bennent - passen einfach nicht ganz zusammen.

Ein glaubwürdigeres Paar geben da die temperamentvolle Maria Happel als Franziska und der auch als preußischer Wachtmeister gute Figur machende Bayer Robert Meyer ab. Als dritter Publikumsliebling wird Johannes Krisch in der Rolle des treuen und trinkfesten Bedienten Just am Ende bejubelt. Auch Heinz Schubert (Wirt) und Urs Hefti (Riccaut) fanden den richtigen Ton für ihre Rollen.

Nicht alles überzeugte an dieser Aufführung, auch nicht das teils eine Baustelle andeutende Bühnenbild von Bernhard Kleber. Doch der Gesamteindruck ist positiv. Man ist ja, was das Burgtheater und seine Klassiker-Inszenierungen betrifft, schon bescheiden geworden.

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