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Weltinnenpolitik

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Friede, dessen kategorischer Imperativ peace now zum Kultgegenstand der Woodstock-Generation vermarktet wurde, dieses Synonym für eine bessere Welt, ist kaum zu definieren: Ihn negativ als Abwesenheit kollektiver, insbesondere militärischer Gewalt zu fixieren, Frieden also als Nicht-Krieg zu verstehen, ist unbefriedigend. In einer Zeit örtlich begrenzter Konflikte, der nicht erklärten Kriege, der Gewaltanwendung gegen unbeteiligte Dritte, in einer Zeit, in der archaische, längst überwunden geglaubte Modelle der Gewalt eruptiv wieder ausbrechen, bedarf es in der Tat eines neuen Friedensbegriffes. Das Problem eines allumfassenden Friedensbegriffes liegt tiefer, liegt auf der Ebene und im Bereich „struktureller Gewalt“. Das ist jene Form der Gewalt, die sich in Unterdrückung und Verletzung der Menschenrechte, in der Beschneidung von Freiheitsräumen, ganz allgemein: in bestehenden ungerechten Sozialstrukturen manifestiert. Sie entsteht überall dort, wo ein Staat oder ein Äquivalent dessen, Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht respektiert, gewollt oder nicht, eine „Infrastruktur der Gewalt“ errichtet. Versucht man nun in den Begriff „Friede“ die Absenz „strukturelle Gewalt“, die zum Teil auch als das Böse im Menschen, als Aggression firmiert, einzubinden, stößt man an die Grenzen herkömmlicher Politik, an die Sinnlosigkeit eines Nationendenkens und an die Insuffizienz des Völkerrechtes, dessen Basis ja souveräne Staaten sind. Weltpolitik muß dann zwangsläufig zur Weltinnenpolitik werden, der Globus ist von einem Geflecht von Organisationen und Kommunikationssystemen zu umfangen.

Der Friede, der theoretisch zu fixieren ist, dessen Prämissen erdacht werden müssen und dessen Strukturen realistische Utopisten (oder umgekehrt) zu erarbeiten haben, ist dann einfach jener Zustand, in dem die Menschheit biologisch und psychisch existieren kann. Er ist also durch Verwirklichung am einfachsten zu definieren.

IST FRIEDE MACHBAR? 139 Seiten, kartoniert, DM 8.80. Reihe: Münchener Akademieschriften, Band 51, Kösel-Verlag, München.

WAS HEISST FRIEDENSFORSCHUNG? Von Georg Picht und Wolfgang Huber. 74 Seiten, kartoniert, Klett, Stuttgart, Kösel, München.

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