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Wer spart, ist reich

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Wer ist eigentlich sparsam? Ich habe ein Zitat von Paul Ernst gefunden, da heißt es: „Der Arme soll sparsam sein, der Reiche soll ausgeben." Dies klingt wie ein aktuelles Rezept zur Uberwindung von Konjunkturflauten - aber, ist es richtig?

Wenn ein Armer wenig ausgibt, tut er es nicht aus Sparsamkeit, sondern weil er nur wenig hat. Er spart, indem er sich Dinge versagt, die sich der Reiche selbstverständlich und mühelos gönnt, auch wenn er nach seinen Begriffen sparsam lebt.

Spart aber ein Reicher über dieses Maß, wenn er sich also Dinge nicht gönnt, die er haben möchte und könnte - ist er nicht sparsam, sondern geizig und dumm. Denn was hat er sonst von seinem Reichtum?

Goethe sagte im „Faust" (und auch diese Aussage klingt sehr aktuell): „Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr". Das ist eben das verflixte Problem: Um Geld zu sparen, muß man das Geld zuerst haben. Wenn man viel sparen will, muß man viel Geld haben und wenn man viel Geld hat, wozu braucht man noch sparen?

Wenn man sich in seinen alltäglichen Bedürfnissen beschränkt, um für etwas Größeres zu sparen - für eine Reise, für einen schönen Wagen undso-weiter - ist das Sparsamkeit? Man gibt ja das Geld nur deshalb nicht aus, damit man es später ausgeben kann: Soll man aber Geld sparen, um es nicht auszugeben - wozu spart man dann? Lebt denn ein Mensch, der sein Geld nicht ausgibt, nicht genauso arm wie einer, der kein Geld zum Ausgeben hat?

Natürlich muß man, wie das alte Sprichwort sagt, in der Zeit sparen, um in der Not zu haben. Obwohl dieses Sprichwort für zuverlässigere Zeiten gemünzt wurde, in denen die Inflation die Ersparnisse nicht so schnell geschmälert hatte.

Sonst reduziert sich das Problem der Sparsamkeit darauf, nicht über seine Verhältnisse zu leben. Das erinnert mich an einen alten jüdischen Witz: Ein wohlhabender und wohltätiger Mann gab einem Schnorrer einen ganzen Gulden. Zwei Stunden später sieht er den Bettler in einem teuren Restaurant vor einem üppigen Mahl. Der Gute ist empört: „Erst schnorren Sie, und dann gehen Sie in das beste Restaurant essen!?" „Was wollen Sie eigentlich", antwortete der Schnorrer. „Wenn ich kein Geld habe, kann ich nicht in so ein Restaurant gehen, wenn ich Geld habe, soll ich es nicht tun. Wann soll ich also in einem guten Restaurant essen?"

Für Leute, die weder reich noch ganz arm sind, steht das Problem so: Entweder spart man, um sich einst etwas leisten zu können, oder man gönnt sich etwas und muß später sparen. Reich durchs Sparen kann man nur dann werden, wenn man viel Geld zum Sparen hat.

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