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Wesen, Auftrag und Ziel

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Im Untertitel bezeichnet der Vizepräsident des Bundesrates, Herbert Schambeck, das Thema seines neuen Werkes als „Grundthema der katholischen Soziallehre”. Schambeck ist es gelungen, in einem umfassenden, aber dennoch überschaubaren Buch eine schwierige Problematik darzustellen und das Wesentliche seines Anliegens herauszuarbeiten: Kirche und Demokratie sind in ihrem Ursprung und Ziel verschieden; die Kirche beruht auf dem Willen des göttlichen Stifters, die Demokratie im Willen des Volkes. Die Ziele der Demokratie können allein durch menschliche Kräfte verwirklicht werden, was bei der Kirche nicht der Fall ist. Der Demokratie liegt immer ein Wertpluralismus zugrunde, sagt der Autor. Aber das gilt nicht für die Kirche. Dennoch könne sie im Sinne der Demokratie Mitverantwortung des „Volkes Gottes” gelten lassen: Diese Mitverantwortung könne „neben der' einvernehmlichen Ämterbesetzung ihren Ausdruck in beratenden Gremien auf allen Ebenen von der Pfarre bis zum Papst” finden. Schambeck verweist besonders auf das synodale Prinzip.

Übergreifen des Pluralismus?

Eine völlig andere Frage ist die Einstellung der Kirche zur Demokratie im Staat und den teilstaatlichen Gebilden wie den Gemeinden oder Bundesländern. Hier hat die katholische Soziallehre immer deutlicher den hohen Wertrang der Demokratie als Ordnungsprinzip herausgestellt, dies besonders seit Pius XII. Ihren Höhepunkt hat diese Bewertung gewiß in der Enzyklika Centesimus annus gefunden.

Schambeck verweist in seiner

Gründlichkeit auf zahlreiche Belegstellen. Eine deutliche Abgrenzung von Demokratisierungsversuchen im kirchlichen Bereich liegt Schambeck besonders am Herzen: Wer die Demokratie in der Kirche im Übertrag politischer Kategorien verstehe, verkenne das Wesen der Kirche und die Zeichen der Zeit. Schambeck befürchtet ein Übergreifen des Pluralismus außerhalb der Kirche auf ihr Inneres. Diese Entwicklung ist offensichtlich schon voll im Gang. Doch schon Paulus spreche sich im ersten Korinther-brief gegen die Parteibildungen in der christlichen Gemeinde aus.

Gefahr des Machtmißbrauchs

Im vorliegenden Werk wird die Darstellung der Grundsatzfragen von denen der Verwirklichung getrennt. Schambeck stellt den politischen Auftrag der Katholiken in der Welt von heute und morgen nachdrücklich heraus. Besondere Bedeutung gewinnt die S icherung der innerstaatlichen wie der internationalen Friedensordnung. Die entscheidende Bedeutung einer verfassungsrechtlichen Absicherung der Grundrechte und ihrer Durchsetzung in der konkreten Politik wird besonders hervorgehoben. Der Kirche gehe es überall um den Geist der Menschlichkeit: Wir erleben heute auch Terror und Mißbrauch der Macht in Staaten, deren Verfassung die Grundrechte umschreibt.

Besondere Beachtung findet im vorliegenden Werk die neue Ordnung in Europa: Schambeck geht dabei besonders von Centesimus annus aus. Es müsse neue Solidaritätsformen geben, „damit kein neuer Kollektivismus oder ein Anarchismus der Hoffnungslosigkeit” entstehe.

KIRCHE, STAAT UND DEMOKRATIE. Von Herbert Schambeck. Duncker und Humblot, Berlin 1992. Leinen geb., 247, öS 765,-.

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