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Verwirklichung der Demokratie

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Die Basis aller Überlegungen, die unter dem qualligen, verschwommenen Begriff „Demokratisierung aller Lebensbereiche“ das Unbehagen an einer unübersichtlich gewordenen Demokratie akzentuiert, ist die von Jean Jacques Rousseau geprägte Formel von der Identität Herrscher und Beherrschter, die auf dem „contrat social“ aufbauende Theorie der radikalen, direkten Demokratie. Plebiszitäre Formen politischer Willensbildung als Gegensatz zu ge- handhabter Verantwortungsdelegation und entrückter direkter Gestaltungsmöglichkeiten stehen zur Diskussion.

Herbert Schambeck, Ordinarius für öffentliches Recht an der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz, gibt einen Aufriß des Demokratieverständnisses und rückt — unter der Prämisse der differenzierten V erteilungsgesell-

schaft — rudimentäre Formen ple- biszitärer Verfassungseinrichtungen, wie Volksabstimmung, Volksbegehren und Petitionsrecht, ins Zentrum seiner Untersuchung der Demokratiepraxis. Aus der Gegenüberstellung radikal-demokratischer Einrichtungen in der Schweiz, der Bundesrepublik und Österreich destilliert er das Volksbegehren als das verfassungskonforme Instrument „infrastruktureller Willensbildung“ schlechthin: „Dem Volksbegehren kommt auch im heutigen Parteienstaat eine Bedeutung für die Verwirklichung der Demokratie zu, da es dem Volk in einer direkten, weil plebiszitären Form ermöglicht, durch vorgebrachte eigene Vorstellungen und Wünsche das freie Mandat der Abgeordneten zu ergänzen und so den Anstoß zur Regelung von Sachfragen zu geben, zu welchem die Parteien aus eigenem Vermögen und Wollen nicht imstande sind, weil sie entweder kein Interesse an einem bestimmten Problem haben oder zu einer Lösung keine Einigung zustandebringen.“ Schambeck seziert das geltende Volksbegehrensgesetz 1963 und legt etwa am Beispiel des Einleitungsverfahrens — 30.000 Personen, die in der Wählerevidenz eingetragen sind oder mindestens fünf Mitglieder der Landtage dreier Länder oder zumindest 15 Mitglieder des Nationalrates müssen den Antrag auf Eröffnung eines Volksbegehrens unterzeichnen —, dar, daß dieses Demokratisierungswerkzeug nur allzu leicht zum Parteienbegehren pervertiert werden kann. Eine rechtstheoretisch verfehlte, unzulässige Rückkoppelung, die der Willensbildung, die vom Volk ausgeht, Hohn spricht. Eine radikale Säuberung des vom Vorstellungsinhalt politischer pressure groups überwucherten Modells „Volksbegehren“ soll dieses zu dem mit sinn- und wirkungsvollen Verbesserungen von Schambeck zur Debatte gestellten Demokratieinstrument werden lassen.

DAS VOLKSBEGEHREN. Von Herbert Schambeck. Reihe Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart Heft 400/401, Verlag J. C. B. Mohr, Tübingen. 41 Seiten, DM 7.40.

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