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Wir sind zu Solidaritat verpflichtet

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Wenn im Jahresschnitt zwei Prozent der Landwirte aufgeben, in den nächsten drei Jahren sind das rund 15.000 bäuerliche Existenzen, akzeptiert man dieses Bauernsterben als Strukturwandel.

Wenn in diesem Zeitraum im Bereich der VOEST-Alpine rund 9000 Arbeitsplätze einem Strukturanpassungsprozeß zum Opfer fallen, der seit Jahren hinausgezögert wurde, fällt das Wort von der „nationalen Katastrophe“.

Eine Katastrophe ist Arbeitslosigkeit für jeden persönlich, den sie trifft. 160.000 Menschen und Familien werden es, befürchten die Wirtschaftsforscher, im Jahresschnitt 1987 österreichweit sein. Sie alle haben Anspruch auf jene „nationale Solidarität“, die jetzt für die obersteirische Region ultimativ gefordert wird.

Nationale Solidarität für die Obersteiermark kann aber nicht bedeuten, betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten—so wie bisher— zu negieren. Das würde sonst heißen, langfristig noch mehr Arbeitsplätze mitzureißen.

Nationale Solidarität ist aber gefordert, damit verhindert wird, daß eine Region — als Opfer einer falschen Politik, nicht eines Vorstandskonzeptes — wirtschaftlich verödet und verfällt.

In einer „Feuerwehraktion“ gilt es jene Versäumnisse wettzumachen, die sich zum Problemberg aufgetürmt haben. Denn was wurde getan, um die Obersteiermark für neue Betriebe und Investoren attraktiv zu machen?

An zukunftsträchtigen Betrieben mangelt es, weil die Voraussetzungen in der Infrastruktur .fehlen. Im Angebot an Arbeitskräften mit einschlägigen Voraussetzungen wie sie von Hochtechnologiefirmen gesucht werden. Ein von Kündigung bedrohter Stahlarbeiter ist eben noch kein Feinwerkmechaniker, kein Verkäufer mit Fremdsprachenkenntnissen.

Doch es ist sinnlos, Milliardenbeträgen nachzuweinen, die nicht dafür aufgewendet, sondern in Strukturkonservierung gebuttert wurden.

Tatsolidarität für die Menschen in der Obersteiermark, nicht für die Verstaatlichte: Ja zu einem teuren Regionalprogramm, das technologie- und facharbeitsintensiven Firmen Starthilfe gibt, das die Umschulung und Ausbildung von Arbeitskräften finanziert, das neben Kapital auch Arbeitskräfte mobil macht.

Ja zu einer Ungleichbehandlung von Regionen, zu einer differenzierten Förderung, die entwicklungsbedürftige Gebiete stärker unterstützt als Ballungsräume.

Vielleicht gelingt jetzt unter Zwang, was bisher unmöglich erschien.

Solidarität bedeutet Bereitschaft zum Opfer, heißt Zusammenhalten und Zusammengehen.

Wir sind zu dieser Solidarität verpflichtet, verpflichtet jenen, die sich ohnmächtig und verlassen fühlen.

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