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Zwei Kulturphilosophen

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Zwei Standardwerke zum gleichen Thema, das sie allerdings ungleich behandeln: „Der Untergang des Abendlandes“ von Oswald Spengler und die „Kulturgeschichte der Neuzeit“ von Egon Friedell. Sie erschienen in einem Abstand von zehn Jahren: Der erste Band Spenglers war 1917 fertig, der erste von Friedell 1927. Spenglers Werk liegt seit 1922 komplett vor, das von Friedell seit 1931, beide Werke vom Anfang an und bis heute im gleichen Verlag. Spengler hält beim 175., Friedell beim 124. Tausend.

Oswald Spengler (1880 in Blankenburg am Harz geboren) hatte Naturwissenschaften studiert, über den griechischen Philosophen Heraklith dissertiert und war Gymnasialprofessor, ehe er sich 1912 an die Arbeit machte, eine umfassende Kulturphilosophie zu entwerfen. Egon Friedell (1878 in Wien geboren) mußte mehrmals zur Matura antreten, ehe er sie endlich bestand, promovierte im gleichen Jahr 1904 wie der um zwei Jahre jüngere Spengler mit einer Arbeit über Novalis als Philosoph und war dann zeitweise Leiter sowie Textautor eines Wiener Kabaretts, später Theaterrezensent, Bühnenschriftsteller, fleißiger Feuilletonist und Schauspieler bei Max Reinhardt — alles das teils aus Vergnügen, teils, um sein eigentliches Dasein als Privatgelehrter zu finanzieren. Man könnte also sagen: Als Kulturhistoriker waren sie beide sogenannte Dilettanten. Vielleicht trug auch das zu dem großen, noch immer andauernden Erfolg ihrer Werke bei (die nun gleichzeitig in einer wohlfeilen Sonderausgabe herausgekommen sind): Das pessimistische Pathos Spenglers und die leicht ironische Skepsis Friedejls kamen nie in die Gefahr trockener Fachsimpelei.

„Man muß in der Weltliteratur schon sehr hoch hinaufsteigen, um Werke von einer so funkelnden und gefüllten Geistigkeit, einer so sieghaften psychologischen Hellsichtigkeit und einem so persönlichen und suggestiven Rhythmus des Tonfalls zu finden wie den Untergang des Abendlandes“, schreibt Friedell über Spengler. Das stimmt. Oswald Spengler war ein Polyhistor mit starken literarischen Neigungen. In seinem Nachlaß fanden sich Tragödienfragmente und -entwürfe sowie ein Zivilisationsroman. „Geschichte wissenschaftlich behandeln wollen“, schreibt er, „ist im letzten Grunde

immer etwas Widerspruchsvolles___

Natur soll man wissenschaftlich beschreiben, über Geschichte soll man dichten. Alles andere sind unreine Lösungen.“ Und analog postuliert Friedell einleitend vom Wesen der Geschichtsschreibung, „daß sie sowohl einen künstlerischen wie einen moralischen Charakter hat; und daraus folgt, daß sie keinen wissenschaftlichen Charakter hat.“

Nein, diese zwei Autoren sind niemals bloße Referenten. So viel sie uns auch mitteilen, die Unzahl vorgelegter Fakten dient stets nur, als

Beleg für kühn aufgestellte Behauptungen. „In diesem Buche wird zum erstenmal der Versuch gewagt, Geschichte vorauszubestimmen.“ So beginnt Spengler. Und Friedell prophezeit mit dem letzten Satz seines Buches kategorisch, was der Inhalt des nächsten Kapitels der europäischen Kulturgeschichte sein wird.

Der von Nietzsche stark beeinflußte Oswald Spengler, dessen „Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte“ (so der Untertitel seines Buches) einen neuen Caesarismus verkündete, war dann vom Dritten Reich sehr enttäuscht, wie dieses von ihm. Er starb 1936. Egon Friedell beging im März 1938 Selbstmord, als ihm ein nS bileb er Philosoa und Kulturemensch.

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