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Zwingende Menschlichkeit

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Auch heute gibt es Verschwender. Man braucht nur die Illustrierten aufzublättern, um sich darüber zu informieren. Aus der Weltliteratur kennen wir einen Verschwender, Shakespeares Timon, der zum Menschenfeind wird. Völlig anders verfährt Ferdinand Raimund mit seinem reichen Edelmann Flottwell in dem Originalzaubermärchen „Der Verschwender“, das derzeit im Volkstheater gespielt wird.

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Auch heute gibt es Verschwender. Man braucht nur die Illustrierten aufzublättern, um sich darüber zu informieren. Aus der Weltliteratur kennen wir einen Verschwender, Shakespeares Timon, der zum Menschenfeind wird. Völlig anders verfährt Ferdinand Raimund mit seinem reichen Edelmann Flottwell in dem Originalzaubermärchen „Der Verschwender“, das derzeit im Volkstheater gespielt wird.

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Ist ein nicht selbst erworbener Reichtum das Geschenk überirdischer Mächtigkeit? Flottwell verdankt sein Vermögen der Fee Cherd-stane, unter deren Schutz er steht. Weshalb sie gerade ihn mit Gütern überhäufte? Glück ist unberechenbar. Als Cheristane ihn verlassen muß, beordert sie gar den Geist Azur zu seinem Schutz. Und eben durch diesen Azur erlangt Flottwell, nachdem ihn seine Verschwendung bettelarm gemacht hat, ein ansehnliches Vermögen zurück. Als Lohn seiner — Raimunds Formulierung — „nicht immer aus wahrer Großmut hervorgehenden Tugend“?

Betreffs Flottwell schrieb Raimund an einen Hamburger Theaterdirektor, „eigentlich müßte er untergehen“. Weshalb geht er nicht unter? Raimund vollte Flottwell vor dem „empörenden Undank der Menschen“ geschützt wissen. Also kein Timon-Schicksal. Ließe er ihn untergehen, wäre dies ein Zeigefingerstück, ein vorweggenommenes sozialkritisches Lehrstück in der Art Brechts. Das lag wohl Raimung gar nicht. So gibt es diesen Prachtkerl, den ehemaligen Diener Valentin. Hier strömt Flottwell in reichem Maß Herzenswärme entgegen, ja, diese Gestalt beherrscht geradezu den letzten Akt, die Szenen in der Tischlerstube bieten eine wahrhaft bezwingende Menschlichkeit, die man kaum in anderen Stük-ken findet. So läßt Raimund diesen Flottwell auch wieder reich werden.

Das Versöhnliche in Raimund ermöglicht keinen anderen Schluß. Und es tut wohl, einmal nicht dem Unerbittlichen ausgesetzt zu sein.

Und eben dieses Versöhnliche, Herzenswarme Raimunds wird unter der Regie von Gustav Manker sehr spürbar. Louis Ries ist ein liebenswürdig temperamentvoller Flottwell, als Verarmter allerdings verfällt er in leeren Aufsageton. Heinz Petters bietet als Valentin eine Überraschung: Er ist nicht nur des auftrumpfend Komödiantischen fähig, auch das gemüthaft Herzliche wird voll glaubhaft. Seine treffliche Partnerin: Brigitte Swoboda als Rosl. Peter Hey gibt dem Kammerdiener Wolf eisige Durchtriebenheit. Gefühlsinnig wirkt Kitty Speiser als Fee Cheristane, verhalten undurchschaubar Bernhard Hall als dienstbarer Azur. Die Naturbegeisterung des Chevalier Dumont spielt Egon Jordan lebhaft aus. Auf szenische Verwandlungskünste wird verzichtet. Die Attrappe eines Arkadenhofs mit verschiedenen Hintergrundprospekten von Maxi Tschunko stellt, von der Tischlerstube abgesehen, die verschiedenen Schauplätze dar. Die Bühnenbildnerin verlegte die Kostüme in die Cul-de-Paris-Zeit. Die reizvolle Musik, geleitet von Norbert Pawlicki, schrieb Konradin Kreutzer, mit Ausnahme des Hobellieds, dessen Melodie von Raimund selbst stammt. Oftmaliger Szenenapplaus.

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