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Die Allgegenwärtigkeit des

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Noch kann der mit dem Literaturkritik-Preis ausgezeichnete Germanist Wendelin Schmidt-Dengler seine Vorstellungen von einem Literaturarchiv nicht verwirklichen.

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Noch kann der mit dem Literaturkritik-Preis ausgezeichnete Germanist Wendelin Schmidt-Dengler seine Vorstellungen von einem Literaturarchiv nicht verwirklichen.

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Die Verleihung des Österreichischen Staatspreises für Literaturkritik 1993 an den 1942 in Zagreb geborenen Germanistikprofessor Wendelin Schmidt-Dengler zeigte eines: Die Omnipräsenz des Literatur-Gegenpapstes ist keine der persönlichen Eitelkeit, sondern eine im Dienste der Sache. Denn Schmidt-Dengler hat sich zugunsten des Autors Salman Rushdie aus den Schlagzeilen der Kulturseiten verdrängen lassen. Sein Preis wurde nur mehr in Nebensätzen erwähnt, obwohl sich gerade seine Laudatio auf das Werk des vom Iran verfemten Schriftstellers durchaus zur medialen Wiedergabe eignen würde.

Zum „Gegenpapst” wurde Schmidt-Dengler schon deshalb, weil der vom deutschen Feuilleton zum Literatur-Papst ernannte Marcel Reich-Ranicki nach eigener Angabe keine österreichische, sondern nur eine deutsche Literatur kennt. Schmidt-Dengler hingegen hat sich durch seine Förderung der österreichischen Gegenwartsliteratur (etwa Ernst Jandl) nicht nur Freunde geschaffen. Die Unterschiede im Umgang mit Literatur wurden denn auch, wie der Publizist und Verleger Dieter Bandhauer in seiner Laudatio anmerkte, anläßlich eines „Literarischen Quartetts”, zu dem der Ordinarius an der Wiener Universität geladen war, deutlich.

Autoren ernst genommen

So bricht er zum Beispiel das von seinem deutschen Pendant erlassene Verdikt, daß der Selbstkommentar eines Autors nicht beachtet zu werden hat. Für den mit 100.000 Schilling dotierten Preis bedankte er sich, indem er ihn jeweils zur Hälfte an die Autorin Marianne Fritz für Recherchen und der Heimito-von-Doderer-Forschung weiterreichte, um, wie er sagte, seiner „Zerrissenheit” Ausdruck zu verleihen.

Diese Zerrissenheit besteht nicht nur darin, Förderer lebender Literaten und Nachlaßverwalter des Werkes Heimito von Doderers zu sein, sondern seit kurzem auch darin, als Universitätslehrer (nach Bewerbung bei der zweiten Ausschreibung) zum Leiter des Österreichischen Literaturarchivs an der Nationalbibliothek bestellt worden zu sein. Denn wer immer einen Vortrag von ihm gehört hat, weiß, daß der bei vielen seiner Studentinnen und Studenten berüchtigte Schnellsprecher nicht nur deshalb vielsagend ist. Manche hegen die Befürchtung, daß ihn, vom „Publikum” abgeschnitten, als Archivar in der Michaelerkuppel der Hofburg ein grillparzersches Schicksal ereilt. Denn daß die Mühlen der Bürokratie für seine unösterreichische Ungemütlich-keit entschieden zu langsam mahlen, zeigt sich jetzt bereits.

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