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Mit dem Instrument der Ironie

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JOSEPH UND SEINE BRÜDER (Sonderaus- gäbe). Von Thomas Mann. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main, gebunden (Leinen), 1364 Seiten. Preis 23,50 DM.

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JOSEPH UND SEINE BRÜDER (Sonderaus- gäbe). Von Thomas Mann. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main, gebunden (Leinen), 1364 Seiten. Preis 23,50 DM.

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Das aus der Spätzeit des Schaffens des Dichters stammende Werk (1926—1943) liegt nun neuerlich in einer hervorragend ausgestatteten, diesmal einbändigen Ausgabe vor und kann als eine wertvolle Bereicherung des Büchermarktes bezeichnet werden. In einer Zeit, in welcher der Roman deutscher Sprache sich in der Weltliteratur noch immer keinen angemessenen Standort zu sichern vermag und Bücher, die sonst kaum erhebliche Beachtung gewonnen hätten, heute auf den Rang von literarischen Sensationen erhoben werden, stellen Neuauflagen wie die eigenartige Bibelinterpretation von Mann nicht allein eine Reverenz gegenüber einem großen Dichter dar, sondern haben eine echte Funktion.

Thomas Mann vermag über den biblischen Stoff, den er in der vorliegenden Tetralogie literarisch zu bewältigen sucht, nicht den Zugang zum Wesen dessen zu gewinnen, was für ihn nur Mythos bleibt. Die Erzväterzeit ist für Mann entweder beweisbare Geschichte — dann aber keine Region, in der Heilswahrheiten dargeboten werden — oder Ideologie, keineswegs aber eine Reinkarnation des Glaubens.

Für Thomas Mann hat die Handlung keinen Wertbezug, sondern ist eine willkommene Chance, dem dichterischen Symbolismus einen eindeutigen Ort der Darbietung zu geben. Den Ereignissen des biblischen Stoffes begegnet der Dichter mit dem uns bei ihm bekannten Instrument der Ironie (beileibe nicht des Sarkasmus), in einer diskreten und achtungsvollen Distanz, die stets die Grenze zur Blasphemie kennt. Obwohl einem Humanismus neuer Art verpflichtet, ist der Dichter nie vom Stoff engagiert, er bleibt kühl und weiß sich da, wo ihm der Stoff mehr zu sein scheint als nur eine profane Ereigniskette, dadurch zu schützen, daß er versucht, das Ereignis mittels psychoanalytisch begründeter Beweisführung zu interpretieren.

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