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MARCELO JOSE CAETANO MANN DER MITTE UND ANPASSUNG

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Marcelo Jos6 das Neves Alves Caetano wurde von Staatspräsident Americo Thomaz ausersehen, das schwere Erbe einer vierzigjährigen Diktatur anzutreten.

Der Professor Marcelo Caetano, der seinerzeit Salazars rechte Hand im Korporativstaat war, besitzt die ausreichende Übereinstimmung mit den Ideen seines Vorgängers, um denjenigen Vertrauen in die Zukunft des Landes efnzuflößen, die mit dem Ausscheiden Salazars einen Bruch in der von ihm verfolgten politischen Linie befürchteten. Er ist aber auch hinreichend vom strikten, unbeweglichen Salazarismus distanziert, um denjenigen Portugiesen entgegenzukommen, die politische Elastizität und fortschrittliche Änderungen erwarten. Caetano dürfte der Mann der Mitte sein, der den Erwartungen der Salazaristen entspricht und die Hoffnungen der Opposition nicht ganz enttäuscht. Eine Alternative gibt es derzeit nicht in Portugal. „Entweder Marcelo Caetano oder die Verwirrung“, formulierte ein bekannter Lissa- bonner Politiker die Lösung der Nachfolgefrage Salazars.

Der 62jährige Caetano zeigt viele Parallelen zu Salazar auf: Wie dieser ist er Universitätsprofessor, stammt ebenfalls aus einfachen Verhältnissen (sein Vater war Volksschullehrer), wie Salazar wurde er durch die klassischen Werte geformt, und wie dieser stellt er das Autoritätsprinzip über alles, aber ungleich Salazar hängt er nicht am Immobilismus. Denn, im Gegensatz zu Salazar, der nie über die Grenzen Portugals hinauskam, erweiterte Caetano seinen politischen Horizont bei zahlreichen Auslandsreisen, vor allem in Großbritannien und Frankreich. So ist es nicht verwunderlich, daß der neue portugiesische Premierminister gleichzeitig der treueste, aber auch der am meisten nichtkonformistische Meinungen äußernde Salazarist ist. Die Häufigkeit, mit der er in der Gunst seines Vorgängers wechselte, legt hiervon Zeugnis ab.

Nach Abschluß seines Jurastu- diums wandte sich Caetano dem katholischen Journalismus zu, wurde kurz darauf Professor für Verwaltungsrecht, übte vier Jahre lang das Amt des Nationalkommissars der „Mocidade Portu- guesa“ — der Salazaristischen Jugendbewegung — aus, stieg vom Delegierten und Vizepräsidenten der Korporativkammer zum Kolonialminister auf. Zwei Jahre lang war er Führungsmitglied der „Nationalunion", der portugiesischen Staatspartei, der er bei den Präsidentschaftswah- len von 1949 zum Sieg gegen die damals noch sehr regen Oppositionsgruppen verhalf. ln seiner Karriere, die von häufigen, auf sein Verhältnis zu Salazar zurückzuführenden Unterbrechungen gekennzeichnet war, bekleidete er auch den Posten des Präsidenten der Korporativkammef und des Rektors der Lissaboner Universität.

Dieses eng mit dem „Estado Novo" Salazars verbundene Curriculum zeigt, daß von Portugals neuem Premier keine umwälzenden Neuerungen zu erwarten sind. Die Kontinuität ist, wie er in seiner ersten Rede an die Portugiesen betonte, der Leitfaden seiner künftigen Politik. Eine Kontinuität allerdings, die sich den heutigen politischen Gegebenheiten in Europa und der westlichen Hemisphäre angleicht. Ein erster Hinweis darauf ist sein Verprechen, „die erwünschte Verbindung zwischen Regierung und Volk herzustellen", um dadurch die notwendige Unterstützung für seine Aktionslinie zu erhalten, die sich, nach seinen Worten, durch Toleranz und Konvergenz der Ideen — ausgenommen der kommunistischen und anarchistischen — auszeichnen wird.

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