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Caetanos Familiengespräche

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Salazar-Nachfolger Marcelo Cae-tano, der seit seinem Amtsantritt bemüht ist, das Regime dem Volk näherzubringen und einen persönlichen, familiären Kontakt mit ihm herzustellen, hat einsehen müssen, daß ihm dies bisher nicht recht gelungen ist. Im letzten seiner „Familiengespräche“, die er periodisch über Funk und Fernsehen mit den Portugiesen führt, konnte er „es nicht vermeiden“, über einen wichtigen und angeblich bisher unbekannten Punkt der Nationalratswahlen vom Oktober zu sprechen: die vierzigprozentige Stimmenthaltung. Ebensowenig erfreut ist Caetano über die Kritik an ihm und an seiner Regierung. Jedenfalls ist dies aus seinen Worten über „weniger Kritiker“ und eine konstruktivere Haltung zu entnehmen. Mit den Kri-

tikern meinte er zweifellos die Opposition, der gegenüber er sich großzügiger als sein Vorgänger verhält.

In dem ersten Jahr seiner Regierungszeit hat er die Rückkehr des von Salazar auf Säo Tomi verbannten sozialistischen Oppositionsführers Mario Soares, des ins Exü geschickten Bischofs von Porto und der Schriftstellerin Maria Lamas gestattet. Nichtsdestoweniger hat er sich damit und mit einer Reihe von libe-ralisierenden Lockerungen und Gesetzeserlässen, wie der Abschaffung der gefürchteten und verhaßten Sicherheitspolizi PIDE und ihre Unterstellung unter das Innenministerium oder mit der Abschwächung des bisher mit Gefängnis bestraften „Delikts“ der illegalen Auswanderung in ein leichtes Vergehen,

weder sonderliche Sympathien bei der Opposition gewinnen, noch sie von seinem Liberalisierungswillen überzeugen können. Obwohl einige allgemein als gut informiert geltende Quellen behaupten, daß zwischen den während der Wahlzeit erlaubten „Wahlkommissionen“ der Opposition und Caetano direkte Kontakte bestanden hätten, scheinen sie zu nichts geführt zu haben. Es nützte den „Wahlkommissionen“ wenig, sich ihrer Auflösung nach den Wahlen entgegenzustellen und zu versuchen, die Anerkennung politischer Parteden durchzudrük-ken. Sie wurden in die Illegalität zurückgedrängt. Es ist also wahrlich nicht erstaunlich, daß sie Caetano nun die kalte Schulter zeigen und eine kritische, abwartende Haltung eingenommen haben. Eine Haltung,

die sie höchstwahrscheinlich nicht so bald werden aufgeben können: Caetano zeigte sich in seinem letzten „Familiengespräch“ abgeneigter denn je gegen die Parteienfreiheit

Die für beide Seiten recht trüb erscheinenden Zukunftsaussichten werden durch die wirtschaftliche Lage unterstrichen. Der nicht endenwollende Kolonialkrieg drückt immer stärker auf Portugals Wirt-

schaft und Finanzen. Das Fehlen von tausenden jungen Arbeitskräften, die aus Industrie und Wirtschaft abgezogen werden, um die „Überseeischen Provinzen“ zu verteidigen, macht sich bemerkbar. In Angola und Mozambique hat sich zwar die Lage insbesondere nach dem Zerfall des „Frelimo“ wesentlich gebessert. In Portugiesisch-Guinea aber verschlechtert sie sich rapide.

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