Quotenfrau und Quotenmann für Schloss Bellevue

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Die Geschichte wiederholt sich: 1999 schickten die deutschen Unionsparteien Dagmar Schipanski in das aussichtslose Rennen um das Bundespräsidentenamt. Die CDU-Politikerin unterlag in der Bundesversammlung Johannes Rau. Fünf Jahre später könnte es der rot-grünen Kandidatin Gesine Schwan genauso ergehen. Doch als Zählkandidatin mag sich die 60-jährige Politologin und Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder nicht sehen.

Erfolgreicher Nachrücker

Die Geschichte wiederholt sich auch beim Kandidaten von CDU und FDP Horst Köhler: Seit Mitte 2000 ist Köhler Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Und schon bei der Besetzung dieses umkämpften Postens war Köhler Nachrücker. Erst als der Wunschkandidat gescheitert war, hatte Kanzler Gerhard Schröder das CDU-Mitglied Köhler aus dem Hut gezaubert. Nun geht Köhler erneut als Ersatz ins Rennen, nachdem Favorit Wolfgang Schäuble sich im bürgerlichen Lager nicht durchsetzen konnte - und die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan von CDU-Chefin Angela Merkel gemobbt wurde. Der Grund dafür: Zwei Frauen an der Spitze Deutschland trägt es nicht - und Merkel will Kanzlerin werden, daher braucht es einen Quotenmann.

Die politischen Einstellungen von Quotenmann Köhler und Quotenfrau Schwan sind ziemlich deckungsgleich: Beide treffen sich in der Mitte. Von Schwans politischem Werdegang her liegt es nicht nahe, dass Rot-Grün ausgerechnet die Politikprofessorin als Kandidatin benennen würde. In den 80er Jahren hat sie ihre eigene Partei, die SPD, heftig und öffentlich kritisiert. Und mit Kanzler Schröder lag sie - zumindest damals - nicht auf einer Linie. Als sie den damaligen Juso-Chef Schröder kritisierte, hat sie die CDU auf ihrer Seite gehabt.

Auch Köhler wird ein hohes Maß an politischer Unabhängigkeit nachgesagt. Die rot-grüne Regierung konnte sich von Köhlers Äußerungen zur deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik immer wieder bestätigt fühlen. Im krassen Gegensatz zur Linie der CDU hatte Köhler erst im September als IWF-Chef den europäischen Regierungen empfohlen, die Drei-Prozent-Grenze des Stabilitätspaktes nicht zu starr zu interpretieren. Nicht zuletzt den Grünen dürfte gefallen, dass Köhler als IWF-Direktor eine Abkehr von einer Handelspolitik fordert, die die wirtschaftliche Entwicklung der Schwellen- und Entwicklungsländer behindert.

Einmal eine Ausnahme?

Auch in der Biographie der beiden Kandidaten gibt es Gemeinsamkeiten: Gesine Schwan wurde in Berlin geboren. Sie stammt aus einem sozial engagierten Elternhaus, das im Nationalsozialismus zu Widerstandskreisen gehörte und sich nach dem Krieg für die Freundschaft mit Polen einsetzte. Im Krieg hatten die Eltern ein jüdisches Mädchen versteckt.

Köhler wiederum wurde 1943 als Bauernsohn in Polen geboren. Dort hatten seine aus Rumänien stammenden Eltern Zuflucht gesucht, bis sie weiter ins schwäbische Ludwigsburg flohen. Schwan und Köhler - bei soviel Gemeinsamkeiten sollten die Deutschen eine Ausnahme machen und beide nach dem 23. Mai als Bundespräsident ins Berliner Schloss Bellevue einziehen lassen. WM/APA

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