Kreiskys Philosoph: Der Ökonom Egon Matzner

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Matzner war maßgeblich an Kreiskys Programm für die Sozialdemokratie beteiligt und wurde zu unrecht von den Erben des Kanzlers vergessen.

Es ist ein altes Prinzip, dass in Gesellschaften, in der alte Seilschaften und parteipolitischer Kadavergehorsam das Sagen haben, die Intelligenz gerne einmal zu kurz kommt. Mehr noch: In Österreich kommt es häufig zu einem negativen Selektionsverfahren. Der Bessere wird mit Ehrungen überhäuft und freundlichst aber tunlichst - vergessen. So ging es auch Egon Matzner, der aus seiner Lage noch ein Bonmot zu machen wusste: "Der Platz zwischen allen Stühlen ist ein Ehrenplatz."

Nun, sieben Jahre nach seinem Tod, kommt Matzner wenigstens zu einem Teil der Wertschätzung, die ihm eigentlich gebühren würde. Denn Matzner ist aktueller denn je: Jahre vor Ausbruch der Wirtschaftskrise warnte er etwa vor dem "schlafenden Vulkan" der unregulierten Finanzmärkte und forderte die Schaffung einer "World Financial Authority". Die Möglichkeit eines Niederganges der sich seit dem 11. September 2001 zunehmend auf Gewalt in den internationalen Beziehungen stützenden USA sah er klar voraus.

Aber auch ein Platz in der österreichischen Zeitgeschichte wurde Matzner zuteil: Nicht zuletzt aufgrund seiner Funktion als Koordinator von Kreiskys Parteiprogramm 1978 wurde er in der Öffentlichkeit als Vordenker der SPÖ wahrgenommen.

Kreisky wollte ein neues Parteiprogramm initiieren, zur Ablösung des alten von 1958, das aufgrund neuer gesellschaftlicher Entwicklungen obsolet geworden war. Ebenso wie das bereits zuvor geschaffene innovative Wirtschaftsprogramm sollte das Parteiprogramm Impulse für die Reform von Gesellschaft, aber auch Partei setzen. Egon Matzner wurde zum Vorsitzenden der Programmkommission bestimmt, eine Funktion, die er in enger Zusammenarbeit mit Günther Chaloupek bis zum Beschluss des Programmes am Parteitag 1978 ausübte und die den Höhepunkt von Matzners politischem Einfluss in der Zweiten Republik markiert.

Sozialdemokratische Akzente

Der von Matzner als "Problemkatalog" verfasste Endbericht beruhte auf den Ergebnissen von Arbeitsgruppen mit prominenten Diskutanten wie Johan Galtung, Robert L. Heilbroner und Leszek Kolakowski. Ein wichtiges Ziel war, marxistische Phrasen tendenziell durch moderne Konzepte zu ersetzen, etwa das Diktum vom "Klassenkampf" und der "klassenlosen Gesellschaft" durch Leitvorstellungen wie gesellschaftlicher Durchlässigkeit und Wohlstand in allen sozialen Schichten.

Deutliche Akzente konnte Matzner bei einem seiner Hauptanliegen setzen, der Partizipation, die etwa in Hinblick auf studentische Mitbestimmung an den Universitäten verankert werden konnte. Damals ebenfalls bahnbrechend: Der Umweltgedanke hielt in das Parteiprogramm der SPÖ Einzug, bei einem nicht wachstums- und fortschrittshemmenden Verständnis von Ökologie. Unerschütterlicher Optimismus war prägend für Matzners Persönlichkeit - er selbst als Denker und Mahner verglich sich mit Sisyphos, der bei Erfüllung seiner Aufgabe optimistisch bleiben müsse.

Ein wechselvolles Verhältnis

Das Verhältnis zwischen dem Bundeskanzler und sich selbst charakterisierte Matzner einmal als eines "des großen Reiches, Bruno Kreisky, mit der kleinen autonomen Republik, Egon Matzner". Bereits in jungen Jahren erfuhr Matzner von Kreisky, eines Weggefährten seiner Eltern, beachtliche Förderung.

Dennoch war er nicht bereit, seine intellektuelle Autonomie gegenüber Kanzler und Partei aufzugeben und er erlaubte sich daher öffentlich kritische Worte. Nachdem es bereits eine Reihe von "Eiszeiten" gegeben hatte, erfolgte der De-facto-Bruch mit Kreisky rund um das Atomkraftwerk Zwentendorf. Matzner, kein grundsätzlicher Gegner der friedlichen Nutzung von Kernkraft, kritisierte Unzulänglichkeiten in der Argumentation der Befürworter und prophezeite den negativen Ausgang der Volksabstimmung. So hatte er sich ins politische Abseits manövriert. Matzner wurde Professor für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik an der Technischen Universität. Sein Verhältnis zur SPÖ legte er 1995 still.

2003 schrieb er den nunmehr zu Marktsozialisten gewordenen Sozialdemokraten Europas eine bittere Warnung ins Stammbuch. "Die Sozialdemokratie arbeitet an der Zerstörung ihrer eigenen Grundlagen, ja an der Entmachtung von Politik an sich. Denn was der Markt übrig lassen wird, ist der Politik weitgehend entzogen. Die nicht genügend Zahlungskräftigen scheiden aus. ... Sie nehmen immer weniger an Wahlen teil oder werden von Demagogen mobilisiert, die Sündenböcke für alle Übel zu nennen wissen."

* Der Autor ist Mitarbeiter der "Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Wirtschaftspolitik"

Egon Matzner - Querdenker für eine andere Welt.

von Gabriele Matzner-Holzer, 220 Seiten, Czernin Verlag 2011. e 19,90 ?

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