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Rentner, Planer, Euphoristen...

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Vielfach ist man auch heute noch in unserem Land bemüht, Vergangenes zu zementieren und sogar alte Konflikte, die den Jungen unserer Tage nicht einmal mehr geschiente-mächtig zu sein scheinen, nach vorgenommener Dekoration liebevoll zu konservieren. (Man denke an den Februaraufstand.) Das gilt nicht allein für die Region Politik, sondern auch für die WirtSchaift Österreich. Aus diesem Grund sind langfristige Konzepte suspekt, wenn nicht gerade junösterreichiißich“. Wenn man Pläne schmiedet, ist ihr Endpunkt bestenfalls der jeweils nächste Wahltermin, dessen Näher-rücken die Planperioden permanent verkürzt und bei manchen „Persönlichkeiten“ mittels Hoffnung auf

einen Posten letzte Aktivitäten provoziert.

Der Verfasser des vorliegenden Buches, der dem reformistischen Flügel der SPÖ angehört und zu den großen Hoffnungen einer engagierten nationalökonomischen Wissen-

schaft gehört, geht in seiner vorliegenden Untersuchung davon aus, daß es nun hoch an der Zeit sei, sich auch der Zukunft anzunehmen, sind doch Kennzeichen vorhanden, die uns ein Ende der Prosperität und ein Absinken Österreichs aus dem Mittelfeld der expandierenden Länder anzeigen, Zumindest benötigt nach Matizner unser Land eine „Zu-kuinitsvision“, weshalb er unter Beigabe von viel Material den Entwurf eines sozioökonomisehen Modells für ein Österreich von morgen vorlegt.

Die österreichische Wirtschaft der Nachkriegszeit wies Entwicklungs-sprünige vor allem infolge Nutzung bisher brachliegender technischer und humaner Kapazitäten auf, die uns rasch mach 1945 einen Platz in der Spitzengruppe der europäischen Kleinstaaten sicherten. Die Fixierung auf die Anbotsseite des Wirtschaftswachstums ließ jedoch viele Verantwortliche die Strufcturwand-iumigen auf der Nachfrageseite völlig übersehen, ganz abigesehen 'davon, daß die Wiachstunnsquaten selbst zunehmend verflachten.

Wie in einer Euphorie befindlich, sah man allzu viele Chancen im Fremdenverkehr (daher die Befürchtung so vieler, wir würden ein „Volk von Kellnern und Skilehrenn“) und in der EWG, zu dier sich manche in einer quasireligiösen Ergriffenheit bekennen, obwohl uns in einer entwürdigenden Weise nicht einmal der Zutritt in das Vorzimmer gestattet wird. Nun haben aber viele hohe Herren scheinbar bereits die Senilität von Kellnern angenommen und sind gegen Demütigung durch „Trinkgeidgetoer“ unempfindlich geworden.

Matzner beklagt auch die zu geringe Reaktionsfähigkeit der Unternehmungen an die unverkennbaren Wandlungen sowohl auf der Produktions- wie auf der Nachfrage-seite. Dagegen wird nach Matzner das Steuerungselement der Profitproduktion mittels Subvention kompensatorisch angewendet (der Verfasser sagt stets „Profit“ und will dadurch seine politische Herkunft andeuten). Schließlich, bietet sich österreichisches Kapital in einer unverkennbaren Renitnermentalität Fremden in aller Welt an-; ausländische Führung wird willig (weil zur Servilität erzogen), angenommen, wodurch es zur Austreibung unserer jungen MhruMgseldten kommt (auch der Aultor befindet sich bereits im Ausland), die als „Eingeborene“ in den ausländischen Unternehmungen unseres Landes keinen angemesse-

nen Arbeitsraum haben. Die Kontrolle über einen großen Teil der österreichischen Wirtschaft befindet sich jedenfalls bereits jenseits unserer Grenzen,

Die Struktuirschwäche Österreichs ist daher vor allem Indiz von Führumgisdefekten. Man hat sich nicht angepaßt, nicht in der Sortierung der Produktion, nicht an der Förderung der Produktivität. Der einzige Ausweg sind Schutzzoll und die Nutzung von Beziehungen.

Matzner nimmt gegen ein bisher praktiziertes Programm der „Resignation“ und der „Emigration“ Stellung (S. 140) und tritt für langfristige Wirtschaftsplanung ein. Zumindest einmal für etwa 15 Jahre. Ohne Bindung in der geplanten Art jan die EWG; eine solche Bindung wäre keine Lösung, sondern eben Reflex von Resignation. Ganz abgesehen davon, daß die Kennedy-Runde und die EFTA in ihren Effekten bewußt vernachlässigt werden. Interessant ist der Vorschlag von Mätzner, der Diskriminierung unserer Exporte durch Abwertung (10 Prozent) zu begegnen und gleichzeitig eine Importverteuerumg durch eine entsprechende Zollsenkuog zu kompensieren (S. 150).

Was an Plänen verfaßt wird, bedarf aber gewissenhafter Kalküle, eines Katalogs von Informationen, die mittels der Instrumente der Quantifizierung (Mathamaifcisierung) der ökonomischen Prozesse gewonnen werden müssen.

Ein ausgezeichnetes. Buch, das einer ernsten Diskussion auf breiter Basis bedürfte. Wenn die paar Prozent parteipolitische Polemik vom Buch abgesetzt würden, bestünde die Chance, daß es auf Grund der Thesen von Matzner zu einem gesamtösterreichischen Gespräch kommen könnte. Denn die „Resignation“ ist nicht allein im Signum der einen, der „konservativen“ Seite. Was am Sozialismus österreichisch ist, neigt ebenfalls zu einem Ausweichen vor den Realitäten im Bereich der Wirtschaft. Was dem einen seine EWG, ist dem anderen sein Schwur auf die Verstaatlichung um jeden Preis (die Matzner selbst ablehnt).

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