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Lateinamerikas Arme werden ungeduldig

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Als „ziemlich chaotisch“ bezeichnet P. Miguel d’Escoto, von 1979 bis 1990 Außenminister der sandinistischen Regierung Nikaraguas, die derzeitige politiscne und wirtschaftliche Lage seines Landes. Das Volk habe unter Druck der USA Violeta Chamorro zur Präsidentin gewählt, sei aber nun enttäuscht. Uber 65 Prozent der Menschen seien arbeitslos, es mangelt an Nahrung, Medikamenten und Bildungschancen, eine umfassende Landreform steht aus. Noch seien die Menschen geduldig, aber die Rebellion im mexikanischen Chiapas sieht d’Escoto als „Warnung an alle Regierungen Lateinamerikas“.

Miguel d’Escoto, heute Leiter des Vereins „FUNDECI“ zur integralen Kommunalentwicklung, gehört dem Maryknoll-Orden an, wurde aber wie die Brüder Ernesto und Fernando Cardenal wegen seiner Zugehörigkeit zur sandistischen Regierung vom Priesteramt suspendiert. Daß Priester im Grunde nicht Poli-

tiker sein sollten, bestätigte d’Escoto der FURCHE, er sei aber kein gewählter Mandatar, sondern Repräsentant seines Landes gegenüber dem Ausland gewesen. Sein Bischof habe ihm das erlaubt, erst das 1983 erlassene neue Kirchenrecht habe eine Erlaub

nis Roms erfordert, die nicht gegeben wurde. In anderen Ländern würden aber Priester als Politiker von Rom toleriert. Auch der Papst sei ja Staatsoberhaupt und Politiker.

Bis 7. Februar weilt d’Escoto mit der Musikerfamilie Galo auf Einla

dung von Entwicklungshilfestellen, vor allem des Österreichischen Entwicklungsdienstes (ÖED), in Österreich. Er besucht besonders Schulen - jüngst die durch ein Lateinamerika-Projekt für den Gast bestens gerüsteten Spanisch-Schüler der Handelsakademie II am Wiener Ha- merlingplatz —, und Pfarren.

Mit der kirchlichen Hierarchie Nikaraguas, die sich mehr der Reichen annehme und sich gerade von einem „ultrarechten, gar nicht gläubigen, aber mit vielen Kardinalen befreundeten amerikanischen Pizzafabrikanten“ habe eine Kathedrale finanzieren lassen, geht d’Escoto hart ins Gericht: „Für das Volk ist die Hierarchie irrelevant, das Volk kehrt nicht Christus, aber der Kirche den Rücken, denn die Kirche hat Christus den Rücken gekehrt.“

Es sei bekannt, daß der US-Ge- heimdienst die Sekten fördere, um die Menschen auf das Jenseits zu vertrösten. In Nikaragua habe man das — so d’Escoto — kaum nötig, da sei die Leitung der katholischen Kirche fundamentalistisch genug.

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