Christlich, radikal, erfolgreich

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Wie sich in den USA Unternehmen mit christlicher Prägung durchsetzen und sie auch die Politik der Republikaner prägen. Ob das für einen Erfolg Donald Trumps spricht, ist allerdings mehr als fraglich.

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Wie sich in den USA Unternehmen mit christlicher Prägung durchsetzen und sie auch die Politik der Republikaner prägen. Ob das für einen Erfolg Donald Trumps spricht, ist allerdings mehr als fraglich.

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Dass die US-amerikanische Politik nicht unerheblich von Lobbyisten und finanzstarken Wirtschaftsmächten getragen und mitbeeinflusst wird, ist bekannt. Für europäische Ohren befremdlich mag die stark religiöse Prägung einiger Unternehmen sein, die vielfach aus dem Herzen des amerikanischen "Bible Belts" entsprungen sind. Die Verbindung von meist christlichen Haltungen und wirtschaftlichem Einfluss wird auch im laufenden Präsidentschaftswahlkampf um das höchste Amt in "God's Own Country" gerade im Süden der USA eine erhebliche Rolle spielen.

Als der Soziologe Max Weber 1904 seine Reise durch die nordamerikanischen Gebiete antrat, wollte er das Verhältnis zwischen Religiosität und wirtschaftlichem Erfolg untersuchen. Er betonte die enge Verbindung des kapitalistischen Systemdenkens in Amerika zum calvinistischen Erlösungsdenken, ließ selbst aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass diese bereits in einem Prozess des Verschwindens war: "Vielfache Beobachtungen in den folgenden Monaten bestätigten [] die schnell absterbende Kirchlichkeit als solche."

Was Max Weber aber wohl nicht zu träumen gewagt hätte: Gerade in den von ihm bereisten Gebieten im Süden und Mittleren Westen der USA entwickelte sich eine Reihe von Wirtschaftsriesen mit christlicher Prägung, die in den USA weiterhin Gesellschaft und Politik stark mittragen. So etwa begann hier der Aufstieg eines der größten Unternehmen des Landes, der Supermarktkette Wal-Mart.

Supermarkt christlicher Prägung

Die Geschichte des 1962 von Sam Walton gegründeten Kaufhaus-Imperiums ist eine Erfolgsstory, die ihresgleichen sucht und den amerikanischen Traum wie wohl kein anderes Unternehmen bis heute sichtbar unter Beweis stellt. Die Historikerin Bethany Moreton betont, dass der Siegeszug von Waltons Supermarkt, ursprünglich situiert im Herzen der westlich des Mississippi gelegenen Hügellandschaft Ozarks, nicht von der christlichen Prägung des Landes zu lösen ist und auch nur von dieser her verstanden werden kann. Demnach verschmolz Sam Walton für sein in Bentonville, Arkansas, eröffnetes Geschäft religiöse und wirtschaftliche Ziele, um ein erfolgreiches Marketing-Konzept für seine Supermarktkette zu entwickeln.

So flossen seine eigene presbyterianische Erziehung, die calvinistische Prägung der "Erfolgsorientierung" mit wirtschaftlichen Konzepten und kapitalistischen Interessen zusammen. Ein Kernthema dabei ist das von ihm im größten mormonischen Kaufhaus, dem ZCMI-Store (Zions Cooperative Mercantile Institution) von Salt Lake City, Utah, aufgenommene Schlagwort des "Servant Leadership". Die dienende Haltung der Verkaufsleiter gegenüber den Mitarbeitern.

Das an die Fußwaschung im Johannesevangelium angelegte Moment der "menschlichen" Unternehmensführung mit größtem Respekt vor den Mitarbeitern, das jedoch strenge und steile Hierarchien und strikt festgelegte Geschlechterrollen nicht ausschließt, wurde bald zu einem Markenzeichen in allen Wal-Marts.

Doch ist Sam Waltons Gründung keinesfalls ein Einzelfall in den USA: So baut die 1946 in Atlanta, Georgia, gegründete Schnellrestaurantkette "Chick-fil-A" auf die Verbindung von religiösem Image und kapitalistischem Erfolgsstreben. Das Imperium von Chick-fil-A versteht sich als ein Fels christlicher Arbeitsmoral in der kapitalistischen Landschaft der USA und steht mit seinem arbeitsfreien Sonntag nicht nur weiterhin in der Linie traditioneller Ethik, sondern befindet sich mit der rein religiös begründeten Sonntagsruhe auch alleine auf weiter Flur in der US-Arbeitswelt.

Daneben tritt der Konzern auch als finanzstarker Unterstützer konservativer Familienpolitik auf, indem das Unternehmen Anti-Homosexuellen-Initiativen und Kampagnen zur Sicherung traditioneller Familienbilder unterstützt und öffentlich gegen Abtreibung auftritt. Dabei wurde das Unternehmen etwa vom neo-evangelikalen Pastor Billy Graham und vom katholischen Republikaner Rick Santorum unterstützt und auch der Direktor von Chick-fil-A, Dan Cathy, betonte als republikanischer Lobbyist im Wahlkampf 2012, dass die USA mit der Anerkennung der Homo-Ehe den "Zorn Gottes auf sich gezogen" hätten.

Eine Tatsache, warum der Einfluss dieser konservativen christlichen Unternehmen auch heute noch steigend ist, ist ihr ausgeklügeltes System an Stiftungen und Netzwerken, mit denen sie zahlreiche US-Colleges, welche auf Wirtschaft spezialisiert sind, unterstützen. Bethany Moreton zeigte die enge Verbindung zwischen dem sozialen Engagement von Wal-Mart in wirtschaftlich ausgerichteten Hochschulen und der Verbreitung der eigenen Firmenphilosophie auf. Bereits seit der Unternehmensgründung 1962 konzentrierte Wal-Mart sein soziales Engagement auf die Verbreitung der Idee des freien Marktes, welche der "Church of Christ"-Pastor und spätere Universitätspräsident George Benson propagierte.

Wirtschaftsgrößen wie Wal-Mart oder Chick-fil-A verbinden nach Moreton religiöse Inhalte mit wirtschaftlichen Interessen. Die Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg, konservativen Werten und die Bereitschaft, auch gegen den Mainstream moderner Lebensweisen und liberaler Politik zu schwimmen, sollte eine sichere Sache für einen erfolgreichen Unternehmer in den Reihen der Republikaner sein. Doch nach den turbulenten Entwicklungen kann sich Donald Trump wohl selbst dieser Zielgruppe nicht mehr allzu sicher sein.

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